Terra Preta: Modell für regionale Stoffströme

von Haiko Pieplow

Die Steigerung der Ressourceneffizienz ist eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Das gilt insbesondere für die derzeitigen Strukturen zur Entsorgung organischer Reststoffe in urbanen Räumen. Der Blick zurück in frühere Hochkulturen zeigt, dass es bereits effizientere Konzepte bei der Nutzung von organischen Ressourcen gab, die mit den gegenwärtig vorhandenen technischen Möglichkeiten aufgegriffen und weiterentwickelt werden können.

Entstehung von Terra Preta

Die Böden in den humiden Tropen sind in der Regel hochgradig verwittert und nährstoffarm. In Zentral-Amazonien kommen aber innerhalb von großen Arealen mit unfruchtbaren Böden kleinflächig humusreiche nachhaltig fruchtbare Böden vor, die als Indianerschwarzerden oder Terra Preta de Indio (portugiesisch für "schwarze Erde") bezeichnet werden. Die Areale umfassen im Mittel 20 ha, wobei dies von Kleinflächen mit einem Hektar bis zu Großflächen von über 350 Hektaren reicht. Die Radiokarbondatierungen ergaben, dass die Böden in der Zeit vor 7000 bis vor 500 Jahre entstanden sind. Die Schichtdicken der Terra Preta können mehrere Metern betragen.

Die Terra Preta wird bis heute landwirtschaftlich genutzt, jedoch ist das Verfahren zu ihrer Herstellung in Vergessenheit geraten. Die Rodung der tropischen Wälder und die landwirtschaftliche Nutzung der damit freigewordenen Flächen führen bei Jahresdurchschnittstemperaturen von 25 Grad Celsius und Jahresniederschlägen von mehr als 2000 mm normalerweise zu einem beträchtlichen Humusabbau und Nährstoffauswaschungen, was auf den Terra Preta Böden nicht beobachtet werden kann.

FerralsolAnthrosol

Ferralsol (typischer Boden der humiden Tropen) in unmittelbarer Nähe zu einem Anthrosol (Terra Preta de Indio) Abb. Bruno Glaser (2001)

Geschichte

Als die spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert das Amazonasbecken durchquerten, berichteten sie von großen Städten mit einer weitaus höheren Bevölkerungsanzahl als heute. Es wird davon ausgegangen, dass es bei der Entstehung von Terra Preta einen engen Zusammenhang zwischen einer leistungsfähigen Agrarproduktion und einem effektiven Sanitärsystem dieser Großstädte gab. Dieser Zusammenhang ist für die Entwicklung von stabilen urbanen Strukturen unter tropischen Klimabedingungen von besonderer Bedeutung.

Charakteristisch für die Terra Preta sind hohe Humus- und Nährstoffgehalte sowie über das ganze Bodenprofil verteilte Tonscherben. Die Terra Preta ist eine anthropogene Bodenform, für die keine Entsprechung in der Natur bekannt ist. Terra Preta kann bis zu 250 t/ha organischen Kohlenstoff aufweisen. Die Kationenaustauschkapazität sowie die Stickstoff- und Phosphorgehalte sind deutlich höher als bei den sonstigen umgebenden Böden. Auffällig ist der 70-mal höhere Gehalt an pyrogenem Kohlenstoff (Biokohle), der als chemisch und biologisch inert gilt. Es wurden bis zu 50 t Biokohle pro Hektar festgestellt.

Nachhaltige Landnutzung der Indios

Es wird vermutet, dass die Entstehung von Terra Preta in Amazonien das Ergebnis einer nachhaltigen Landnutzung ist, bei der ein besonderes, in Vergessenheit geratenes Verfahren zur Rückgewinnung von Kohlenstoff und Nährstoffen aus menschlichen und tierischen Exkrementen eine wichtige Rolle spielt. Charakteristisch für Terra Preta ist dabei der sehr hohe Anteil an pyrogenem Kohlenstoff, der durch Brandrodung nicht plausibel erklärbar ist. Als Bestandteile der Terra Preta konnten Holzkohle, menschliche und tierische Exremente, Lebensmittelabfälle, Aschen sowie terrestrische und aquatische Biomasse nachgewiesen werden.

Die ehemaligen Ureinwohner haben mit großer Wahrscheinlichkeit anstatt riesiger Felder, hochproduktive Waldgärten angelegt und nachhaltig bewirtschaft. Abgeleitet von archäologischen Funden und darauf aufbauenden Experimenten kann angenommen werden, dass sich die großen Mengen an Holzkohle in den Böden durch ein biologisch ausgeklügeltes Sanitärsysteme erklären. Das verwendete Sanitärsystem basierte wahrscheinlich auf dem Prinzip einer anaeroben Trocken-Trenntoilette. Es wurden Urin und Fäkalien getrennt und in gut verschlossenen Tongefäßen gesammelt. Zur Unterbindung des Entstehens von Methan sowie von Geruchsbelastungen und gefährlichen Insektenplagen wurden die Fäkalien in den luftdicht verschlossenen Gefäßen mit Holzkohlestaub bedeckt. Als Nebeneffekt wurde dadurch die Holzkohle mikrobiell besiedelt und Nährstoffe an- bzw. eingelagert. Der separat aufgefangene Urin stand dann unter anderem als wertvoller Mineralstoffdünger zur Verfügung.

Großes vergrabenes Tongefäß
Großes vergrabenes Tongefäß

Das Holzkohle-Fäkaliengemisch wurde dann unter Zugabe von weiteren Siedlungsabfällen und organischer Substanz gezielt anaerob in großen Tongefäßen fermentiert. Ziel dieser speziellen Fermentation ist die Konservierung von organischer Substanz untern anderem durch Milchsäure. Vergleichbare Verfahren werden seit Jahrtausenden bei der Lebensmittelkonservierung genutzt. Durch das anschließende Beimpfen von Bodenlebewesen wurde das fermentierte Material weiter umgewandelt, hygienisiert und der Bodenbildungsprozess eingeleitet. Nach einer Reifezeit konnten dann die Fermentationsgefäße bepflanzt und in die Erde eingegraben werden.

Durch die Tongefäße wurde insbesondere die Auswaschung von Nährstoffen in der Anfangsphase der Substratbildung verhindert. Mit dem Fortschreiten des Bodenbildungsprozesses wurden die Pflanzennährstoffe dann weitestgehend biologisch gebunden. Im Bodenwasser sind deshalb nur geringe Nährstoffmengen gelöst. Der chemisch und biologisch nicht abbaubare poröse Kohlenstoff dient wahrscheinlich als Besiedlungsraum für Mikroorganismen, die den Humusaufbau und damit die Bodenfruchtbarkeit fördern. Für die Pflanzen werden die Nährstoffe vorwiegend über die Mykorrhiza-Pilze erschlossen, mit denen die Feinwurzeln in Symbiose leben. Im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Nutzpflanzen in den Waldgärten können dadurch Nährstoffverluste durch Mineralisierung oder Auswaschung trotz hoher Temperaturen und Niederschläge vermieden werden.

Chancen für eine nachhaltige Landnutzung

Die Terra Preta könnte die Landnutzung sowohl in den humiden als auch in den ariden Tropen nachhaltig verbessern. Darüber hinaus lassen die bisherigen Versuche zur Herstellung von Terra Preta erwarten, dass solche nachhaltig fruchtbaren Böden auch unter mitteleuropäischen Klimaverhältnissen hergestellt werden können. Voraussetzung dafür sind nachhaltig organisierte Stoffkreisläufe in den landwirtschaftlichen Räumen. Die erforderlichen technischen Ausrüstungen sowohl zur Herstellung von Biokohle als auch für die Sanitärsysteme auf Basis von Trenntoiletten sowie die Trennung der anfallenden Stoffwechselprodukte bei der Viehhaltung sind weitgehend auf dem Markt verfügbar.

Klimapotential

Das weltweite Potential für die Rückgewinnung des über den menschlichen Stoffwechsel anfallenden Kohlenstoffs liegt bei einem Äquivalent von rund 480 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Würden zudem auch die Exkremente aus der Viehhaltung pyrolysiert kämen nochmals rund 330 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr hinzu. Würde diese oder andere Biokohle zudem mit den flüssigen Stoffwechselprodukten (Urin) aufgeladen, könnte der gesamte landwirtschaftliche Bedarf an Stickstoff und Phosphor abgedeckt werden, womit nicht nur 1% der weltweiten CO2-Emissionen eingespart würde, sondern ein großer Teil des extrem klimaschädlichen Lachgases, das rund 15% der weltweit anfallenden Klimagase ausmacht. Da durch die Bodeneinbringung der aufgeladenen Biokohle das Pflanzenwachstum zunimmt und die Humuswerte der Böden insgesamt steigen, liegt das durch diese Maßnahmen ermöglichte Einsparungspotential an klimaschädlichen Gasen bei über 20%. (die Berechnungsgrundlage für diese Werte finden Sie hier: C-Bilanz).

Fazit

Die regionale Schließung von Stoffkreisläufen in Verbindung mit der Steigerung der Energieeffizienz bietet Potentiale, die bislang zuwenig ausgeschöpft werden. Durch die Wiederentdeckung der Herstellung von Terra Preta ergeben sich vielfältige Chancen für eine nachhaltige Landnutzung. Durch die Einlagerung von großen Mengen an inerten Kohlenstoff, kann sowohl die Flächenproduktivität dauerhaft erhöht, als auch Ressourceneffizienz und der Klimaschutz deutlich verbessert werden. Insbesondere könnten durch eine effizientere Bodennutzung zukünftig die derzeitigen Verluste an organischem Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und Wasser produktiv zur regionalen Wertschöpfung beitragen. Es ergeben sich hoch interessante Optionen, die Wasserversorgung und die Abfallentsorgung mit der Erzeugung von Energiepflanzen und Lebensmitteln wieder stärker mit den stetig wachsenden urbanen Strukturen zu verzahnen.

Wer im eigenen Kleingarten damit beginnen möchte, findet unter folgendem Link nähere Informationen (Berger Biotechnik und Triaterra).

Die Biokohle, die zum Ablöschen der feuchten Biomasse und als Strukturgeber des Bodensubstrates benötigt wird, kann ab März über die Firma Swiss Biochar geordert werden.

Literaturhinweise finden Sie hier

Haiko Pieplow arbeitet am deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Er befasst sich mit neuen Wegen in eine nachhaltige Industriegesellschaft.

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