Biokohle im Naturgarten - Erfahrungsbericht
von Andreas Thomsen
Ithaka: Wie kamen Sie dazu eigene Versuche mit Biokohle zu beginnen?
Andreas Thomsen: Die Berichte über die Terra Preta Amazoniens, die ihre Fruchtbarkeit und Ihren hohen Gehalt an organischem Kohlenstoff über Jahrhunderte bewahrt, haben mich sehr fasziniert und den Ansporn geweckt, dergleichen auch in unseren Breiten zu versuchen. Ein wirkliches Schlüsselerlebnis hatte ich vor etwa 3 Jahren, als ich durch Zufall eine ältere Dame kennen lernte, die in den 1980er Jahren in unserem jetzigen Haus gewohnt hatte. Die Dame hatte den Garten damals nach streng ökologischen Kriterien bewirtschaftet und dabei viel für den Aufbau von Humus getan. Über Jahre hinweg hatte sie das Bodenleben durch Flächenkompostierung von Brennnesseln, Gräsern und Wasserpflanzen „gefüttert“. Doch von der intensiven Humuswirtschaft war keinerlei langfristiger Effekt übriggeblieben. Bei unserem Einzug 2004 fanden wir einen sehr schweren, dichten und vor allem humusarmen Boden vor, kein Stück besser als die Böden in den „konventionell“ beackerten Nachbargärten.
Ithaka: Wie wenden Sie die Biokohle an?
Andreas Thomsen: In Form einer Mischung von Biokohle und Kompost. Frisch hergestellte Biokohle muss zunächst als biologisch tot betrachtet werden – die Pyrolysetemperaturen von über 350 °C überleben nicht einmal die hartnäckigsten Bakterien- oder Pilzsporen. Durch die Vermischung mit Kompost wird die Biokohle nicht nur biologisch aktiviert, sondern sättigt sich dank ihres gewaltigen Absorptionsvermögens mit Pflanzennährstoffen, die ansonsten durch Abbau oder Auswaschung verloren gehen würden.Um nachhaltig zur Bodenverbesserung beizutragen, ist eine innige Verbindung mit den mineralischen und organischen Bodenbestandteilen ebenso notwendig wie die Besiedelung der Kohlepartikel durch den „unterirdischen Zoo“ der Bodenorganismen.
Ithaka: Was für ein „Rezept“ würden Sie einem Einsteiger empfehlen?
Andreas Thomsen: Als erster Schritt bietet sich die gemeinsame Kompostierung der Biokohle mit organischen Abfällen an, möglichst unter Zusatz von etwas Lehm oder schwerem Mutterboden. Gute Erfahrung gemacht habe ich mit einem Verhältnis von etwa einem Teil Kohlenstaub auf 10 Teile organische Abfälle. Holzkohlenstaub lässt sich gut in dünnen Schichten über dem künftigen Kompost verteilen und bindet – als Nebeneffekt - eventuelle unangenehme Gerüche. Die übrige Arbeit übernehmen unsere geringelten Freunde, die Kompostwürmer.


Besteht die Biokohle aus sehr feinen Partikeln, wird sie von den Kompostwürmern gemeinsam mit organischem Material gefressen und als schwarzer Wurmhumus wieder ausgeschieden. Die Tiere vertragen die Biokohle offensichtlich gut, dafür sprechen auch die gelblichen Eikokons, die sich sehr zahlreich in unserem Komposter fanden.

Das Resultat ist eine sehr dunkle Komposterde mit lockernden und feuchtigkeitsbindenden Eigenschaften sowie „wurzelgerecht“ gespeicherten Pflanzennährstoffen.

Ithaka: Woher nehmen Sie ihre Biokohle?
Andreas Thomsen: Meine ersten Ansätze mit Holzkohle habe ich im Herbst 2007 angemischt. Zu dieser Zeit gab es noch nicht das Angebot des Delinat-Instituts bzw. Swiss Biochar, Biokohle für Garten-Versuche bereitzustellen, und so habe ich verschiedene Wege zur Beschaffung und Herstellung der Kohle unternommen:
1. Selbst köhlern: Als jemand, der sich lange Zeit gewünscht hat, in einem früheren Jahrhundert oder Jahrtausend zu leben, war für mich ein Versuch in „selber kokeln“ zunächst unvermeidlich. Tatsächlich ist dies gerade für einen Menschen der heutigen Zeit eine eindrucksvolle Erfahrung. Davon sprechen auch die zahlreichen Bauanleitungen für Holzkohle-Retorten, die sich vor allem auf englischsprachigen Internetseiten finden lassen. Auch meine eigenen Versuche mit einem alten Waschkessel waren in der Tat sehr eindrucksvoll – ich habe selten einen derart dichten, weißen Qualm erlebt, wie er nach dem Ersticken des Feuers entstand. Umso spärlicher war allerdings die Ausbeute an Holzkohle…
2. Holzkohle selbst ernten: Jedes Kaminfeuer, Lagerfeuer oder Osterfeuer besteht zeitweise aus einem Anteil an Holzkohle, die jedoch nach dem „Herunterbrennen“, also dem Verschwinden der Flammen, zusehends von der Glut aufgezehrt wird, bis schließlich nur noch die nicht brennbaren Holzbestandteile, sprich die Asche, übrig bleibt. Wer hier zur rechten Zeit eingreift, kann u.U. beträchtliche Mengen Holzkohle gewinnen, die ansonsten in Luft, nein, schlimmer, in CO2 aufgehen würden.
3. Holzkohle kaufen: Ein Markt für Biokohle, die explizit zur Bodenverbesserung vorgesehen ist, existiert in Mitteleuropa bislang praktisch nicht. Entsprechend ist man auf Grillkohle oder auf technische Holzkohle angewiesen, die in verschiedensten Korngrößen hergestellt wird. Bei der Grillkohle würde ich in jedem Fall ein Produkt aus heimischen Holzarten empfehlen. Dies nicht nur aus ökologischen Gründen (die Holzkohle aus Übersee stammt leider oft aus unkontrollierten Rodungen z.B. in Argentinien oder Paraguay), sondern auch aus rein praktischen Motiven – die heimische Kohle hat i.d.R. eine höhere Porosität und sollte sich daher als unterirdisches Biotop am besten eignen. Auch ein eventuelles Zerkleinern gestaltet sich entsprechend leichter als bei der häufig sehr dichten und harten Kohle aus subtropischen oder tropischen Hölzern. Zur Unterscheidung reicht ein genauer Blick auf die Bruchfläche, denn die typischen Holzstrukturen bleiben bei der Pyrolyse minutiös erhalten. Beim Kauf marktüblicher Grillkohle sollte man darauf achten, dass man mit der Kohle auch schreiben kann bzw. sich die Finger schwarz macht, ansonsten ist sie nämlich mit Fixierstoffen behandelt, welche die Bodenorganismen gefährden können.

Ithaka: Haben Sie ihre Biokohle zerkleinert oder auf andere Weise vorbehandelt?
Andreas Thomsen: Als ich noch nicht über die pulverfeine Holzkohle verfügte, habe ich regelmäßig glühende Holzkohle aus unserem Kaminofen in einer Brühe aus Regenwasser mit organischen Abfällen abgelöscht, quasi eine Art Flüssigkompost in großen schwarzen Bottichen. Diese mit Nährstoffen imprägnierte Holzkohle habe ich einerseits in meinem späteren Mais-Beet untergegraben, andererseits aber auch mit gutem Effekt zur Düngung von Kürbispflanzen verwendet, indem ich sie in die Pflanzlöcher eingebracht habe.
Ithaka: Wie haben Sie diese Pflanzlöcher vorbereitet?
Andreas Thomsen: Nach Ausheben des Loches wird die durchtränkte Holzkohle hinein gegeben mit dem Mutterboden vermengt (Bild1). Am Rand des Pflanzloches werden zusätzlich noch ausgerissene Wildpflanzen eingearbeitet (Bild2). Durch eine lockere Erdschicht wird das eingebrachte Material abgedeckt – das Pflanzloch steht bereit (Bild3).
Ithaka: Sie sprachen von Ihrem Mais-Beet – was hat es damit auf sich?
Andreas Thomsen:
Im September hatten die Pflanzen eine Höhe von über 2,50 m und trugen, obwohl der Mais sehr dicht stand, je Pflanze zwei mittelgroße (und sehr wohlschmeckende) Kolben. Auch dieses Jahr habe ich wieder Zuckermais gepflanzt, in Kombination mit Leguminosen, und bin gespannt…




Haben Sie auch Vergleichsversuche einmal mit und einmal ohne das Biokohle-Substrat angelegt?
Andreas Thomsen: Ja. Besonders beeindruckend war der Versuch mit 3 Sonnenblumen, von denen (siehe Bild) die linke in normaler Gartenerde und die beiden rechten neben dem Mais in dem Beet mit Holzkohlenkompost standen. Die Pflanzen rechts blühten später, erreichten aber eine Höhe von über 4,50 m und hatten deutlich größere und zahlreichere Blüten als die Kontrollpflanze.

Ithaka: Haben Sie noch andere Pflanzen, die mit Biokohle-Kompost besonders gut gediehen sind?
Andreas Thomsen: Ja – besonders hervorheben kann ich außer sämtlichen Kürbisgewächsen auch noch die verschiedenen Nachtschattengewächse wie Paprika, Chillies, Auberginen und Tomaten. Wenig oder keinen Effekt habe ich dagegen bei Zwiebeln und Erdbeeren gesehen. Aber das mag sich bei anderen Bodenverhältnissen ganz anders verhalten, so dass ich jeden nur ermutigen kann, im eigenen Garten die eigenen Erfahrungen zu sammeln. Hier gibt es glücklicherweise noch unglaublich viel herauszufinden, das betrifft auch die Kompostbereitung mit Biokohle.
Ithaka: Was passiert eigentlich mit der Biokohle im Boden?
Andreas Thomsen: Das ist für mich eine der spannendsten und schwierigsten Fragen überhaupt, weil sich die komplexen biologischen Geschehnisse ganz und gar im Verborgenen abspielen. Hier kratzen die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Terra Preta und Biokohle wortwörtlich an der Oberfläche – der Stoff dürfte für Generationen von Biologen, Chemikern und Bodenkundlern ausreichen. Eine zarte Idee davon, dass neben den verschiedensten Mikroorganismen auch die Pflanzen selbst mit der Biokohle in Wechselwirkung treten, fand ich dieses Frühjahr im Inneren eines Holzkohlestückes, das seit Herbst 2007 im Boden gelegen hatte. In einen Spalt war eine kleine Wurzel hineingewachsen und hatte – das zeigte sich erst nach Auseinanderbrechen des Stückes – unzählige Wurzelhärchen ausgebildet, die mit der Kohle in Verbindung standen:

Ithaka: Wie pflegen Sie die Biokohle-Beete?
Andreas Thomsen: Was für die biologische Bodenpflege ein Muss ist, wird genauso dem mit Biokohle angereicherten Boden gut tun. Zur Ernährung und zum Schutz des Bodenlebens sollte der Boden in Kultivierungspausen mit Gründüngung oder Mulch bedeckt werden.
Ithaka: In vielen wissenschaftlichen Studien wird unbehandelte Biokohle so, wie sie aus der Pyrolyseanlage kommt, direkt in den Boden eingebracht, ohne diese vorher mit Kompost oder auf andere Art biologisch aufzuladen. Haben Sie es auch einmal ausprobiert, Biokohle pur in den Boden einzubringen?
Andreas Thomsen: Ja, weil ich einerseits wissen wollte, ob auch bei geringen Biokohleanteilen im Boden ein Effekt auf die Pflanzen erkennbar ist, und andererseits, ob es ein „Zuviel des Guten“ gibt. Ich habe also gesiebten Mutterboden mit ansteigenden Anteilen von frischem Buchen-Holzkohlenstaub gemischt und mit Erbsen sowie Gelbsenf besät. 29 Tage nach der Aussaat zeigte sich für die beiden Pflanzenarten ein überraschend unterschiedliches Bild. Die Senfpflanzen zeigten sich „wenig erfreut“ über die zugesetzte Holzkohle. Interessanterweise fand auch die Keimung verzögert statt:

Die Erbsenpflanzen dagegen schienen unter den gegebenen Bedingungen von geringen Holzkohleanteilen zu profitieren, bei höheren Anteilen zeigte sich jedoch wiederum ein geringeres Wachstum:

Die Wachstumsverzögerung beim Senf dürfte - so vermute ich - am ehesten durch das enorme Absorptionsvermögen des pyrogenen Kohlenstoffs zustande kommen. Die im Boden vorhandenen Pflanzennährstoffe werden durch die Holzkohle zunächst vermehrt gebunden, bis sich ein Gleichgewicht zwischen Absorption und Freisetzung einstellt. In meinem Versuch waren die Senfpflänzchen offensichtlich stärker betroffen, während die Erbsenpflanzen (als Leguminosen mit eigener Stickstoffversorgung durch Knöllchenbakterien) bei mäßigen Holzkohleanteilen am besten wuchsen.
Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Absorption von pflanzeneigenen Botenstoffen eine Rolle spielt. Werden zu viele Signalmoleküle durch die Kohle gebunden, fehlt der Pflanze der Wachstums-Stimulus.
Ithaka:Was schließen Sie aus diesem Versuch?
Andreas Thomsen: Frischer, unkompostierter Holzkohlenstaub hatte, anders als ich es mit Biokohle-Kompost erleben durfte, nur eine sehr eingeschränkte Düngewirkung. Von daher bin ich überzeugt, dass die Kompostierung eine sinnvolle Maßnahme ist. Eine Versuchsreihe mit kompostierter Biokohle habe ich zurzeit in Arbeit. Hier erwarte ich keine Wachstumsverzögerung durch hohe Biokohle-Anteile, da diese ja durch die Kompostierung bereits mit organischen Molekülen gesättigt ist.
Es existieren aber auch andere Ansätze, nämlich z.B. die Durchtränkung der Biokohle mit einer zuckerhaltigen Lösung wie verdünnter Melasse oder/und mit Kompostextrakten. Die Kohlehydrate könnten den nützlichen Bodenlebewesen vorübergehend Nahrung liefern, bis eine Symbiose mit einer Pflanzenwurzel zustande kommt. Auch hier gibt es viel auszuprobieren.
Ithaka: Haben Sie noch einen Rat für andere Gärtner, die Biokohle in ihren Gärten einsetzen wollen?
Andreas Thomsen: Es braucht vor allem den Mut und die Neugier zu ungewöhnlichem, naturverbundenem Ausprobieren, denn möglicherweise geht es hier um nichts Geringeres als einen Beitrag zur Rettung der Welt!
Wer gern selbst Versuche mit Biokohle durchführen will, kann sich über folgendem Link für den wohl größten Bodenversuch der Schweiz anmelden. 500 Kleingärtner, Schulen, Winzer und Gärtnereien werden in den nächsten 2 Jahren mit verschiedensten Kulturen, auf verschiedensten Böden und in verschiedenen Klimazonen in wissenschaftlich begleiteten Versuchen die Hoffnungen überprüfen, die sich die Forscher vom Einsatz der Biokohle in der Landwirtschaft und zum Klimaschutz machen. (hier zur Anmeldung beim Delinat-Institut)
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