Pflanzenkohle als Baumaterial, Städte als Kohlenstoffsenken
von Hans-Peter Schmidt
Pflanzenkohle wird durch Erhitzung von Biomasse auf 400 bis 800°C unter Ausschluss von Sauerstoff hergestellt. Dies geschieht mittels sogenannter Pyrolyseverfahren in einem kontinuierlichen, technisch kontrollierten Prozess, der ohne Zufuhr externer Energie abläuft. Das dabei entstehende Material weist spezifische, sich auf unzählige Nano-, Mikro- und Mesoporen verteilende Oberflächen von über 300 m2 pro Gramm auf. Die Fähigkeit, in diesen Poren sehr wirksam Wasser zu speichern, macht die Pflanzenkohle zu einem effizienten Feuchtigkeitspuffer. Die Poren halten auch große Mengen Luft quasi unbeweglich in sich fest, wodurch die Pflanzenkohle zu einem der besten derzeit bekannten Isolationsmittel wird.
Pflanzenkohle besitzt also eine extrem niedrige Wärmeleitfähigkeit und kann bis zum Fünffachen ihres Eigengewichtes Wasser aufnehmen. Dank dieser Eigenschaften eignet sie sich hervorragend zur Isolation und Regulierung der Luftfeuchtigkeit in Gebäuden. In Verbindung mit Lehm, aber auch mit Kalk- sowie Zementmörtel kann Pflanzenkohle Wandputzen oder auch Ziegeln und Betonbauteilen mit Volumenanteilen bis zu 80 % zugesetzt werden. So entstehen hervorragend isolierende, atmungsaktive Wände, die sommers wie winters die Luftfeuchtigkeit der Räume im Optimalbereich von 45 – 70% zu halten vermögen. Auf diese Weise wird nicht nur zu trockene Raumluft verhindert, welche zu Atemwegserkrankungen und Allergien führen kann, sondern auch Kondenswasser, das üblicherweise an den Wärmebrücken und Außenwänden entsteht und zu Schimmelbildung führt. Auch im Außenbereich können Kohle-Spritzputze anstatt von Styropor bis zu 20cm dick aufgespritzt werden. Dank des auf Pflanzenkohle basierenden Isolationsmaterials können Häuser so zu langfristigen Karbonsenken werden und ermöglichen zugleich ein gesünderes Raumklima. Werden die Häuser eines Tages zurückgebaut, kann der Pflanzenkohle-Lehm oder Pflanzenkohle-Kalkputz direkt als wertvoller Kompostzuschlag verwendet werden, womit sich der Kohlenstoffkreislauf auf natürliche Weise fortsetzt.
Die Kohle-Lehmputze adsorbieren auch Geruchs- und Giftstoffe, was nicht nur im Küchenbereich oder bei Rauchern für deutlich bessere Raumluft sorgt. Neben Wohngebäuden eignen sich Kohle-Lehmputze insbesondere für Lager-, Industrie- und Stallgebäude sowie für Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und andere Räume, wo sich häufig viele Menschen längere Zeit aufhalten. Es lässt sich vermuten, dass sich durch das verbesserte Raumklima die Konzentrationsfähigkeit der Menschen in Seminarräumen, Bibliotheken, Büros und Klassenzimmer erhöht. Pflanzenkohle absorbiert zudem sehr effizient elektromagnetische Strahlung, wodurch sich dicke Kohle-Lehmwände hervorragend zur Verhinderung von Elektrosmogbelastungen eignen.
Rezept des Pflanzenkohle-Lehmputzes
Abgemagertem Lehm werden 30 – 50% Pflanzenkohle zugemischt. Im Vergleich zu üblichen Lehmputzen wird dabei der Sandgehalt reduziert. Das Pflanzenkohle-Lehm-Gemisch enthält dann auf das Volumen bezogen 50% Pflanzenkohle, 30% Sand und 20% Ton. Diese Mischung kann sowohl für Spritzputze verwendet werden, als auch für traditionelle Anwurftechniken. Für den Unter- und Zwischenputz empfiehlt es sich, neben der Feinfraktion auch größere Pflanzenkohlestücke mit Durchmessern bis zu 25mm einzusetzen, was die Rissfestigkeit des Putzes verbessert. Nicht zuletzt dank der Kohle, trocknen die Putze gleichmäßig ab und können je nach Schichtdicke innert 12 bis 24 Stunden überarbeitet werden.

Für den Oberputz sollte fein gemahlene Kohle verwendet werden. Es entsteht ein anthrazitfarbener Putz von sehr noblem, leicht reflektierendem Anschein. Wird eine hellere Farbe gewünscht, reduziert man für den Oberputz den Pflanzenkohle-Anteil auf fein gemahlene 20 - 25 %, so dass deckende Lehmfarben als letzte Schicht aufgebracht werden können. Die Verarbeitung der Putze ist problemlos und kann mit allen traditionellen Putztechniken erfolgen. Im Vergleich zu Kalk- oder Zementputzen ist die Pflanzenkohle-Lehm-Mischung für die Hände der Arbeiter sehr angenehm, Handschuhe und Schutzkleidung erübrigen sich.

Die Pflanzenkohle kann ebenso auch gewöhnlichen Kalk- und Zementputzen in gleichen Verhältnissen untergemischt und entsprechend auch im Außenputz eingesetzt werden. Auch in diesen Putzen kann sie ihre hohe Isolationsleistung ausspielen, wobei jedoch die Wasserspeicherkapazität durch Versiegelung der Oberflächen geringer ausfällt. Für den Innenputz freilich ist Lehm das für das Raumklima zu bevorzugende Grundmaterial.
Erste Gebäude, die mit dieser Technik gebaut bzw. renoviert wurden, sind ein Weinkeller im Wallis sowie die Seminarräume und Büros des Ithaka Instituts.
Pflanzenkohle-Lehmputze für Weinkeller
Die Wände eines alten Walliser Kellers wurden mittels Drucklufttechnik mit einer gut 10 cm dicken Schicht aus Lehm und Pflanzenkohle ausgespritzt. Die massive Beschichtung der Wände mit dem Lehm-Pflanzenkohle-Gemisch sorgt nicht nur für eine gute Wärmeisolation und damit für geringere Temperaturschwankungen, sondern vor allem für einen mächtigen Feuchtigkeitspuffer im Keller.

Der Spritzputz aus dem Pflanzenkohle-Lehm-Gemisch vermag in Kombination mit geeigneter Passivlüftung die Luftfeuchtigkeit im Keller das ganze Jahr über konstant bei den für Weinreifung idealen 60 – 80% zu halten und damit die Bildung von Schimmelpilzen und anderen für die Vinifizierung gefährlichen Mikroben zu verhindern bzw. deutlich zu reduzieren. Bei erhöhter Luftfeuchtigkeit im Raum nimmt die Wand die Feuchtigkeit rasch auf und gibt sie umgekehrt bei zu niedriger Luftfeuchtigkeit ebenso schnell wieder an den Raum zurück. Denn während zu hohe Luftfeuchtigkeit schädliche Mikroben fördert, ist auch zu niedrige Luftfeuchtigkeit nicht vorteilhaft. Sie führt zu Feinstaubbelastung, elektrostatischer Aufladung der Luftpartikel und zur Verdunstung von Wein aus Holzfässern.
Die Pflanzenkohle in der Lehmputz-Mischung sorgt dank ihrer enormen Oberfläche und Porosität für die Adsorption von Schadstoffen, Sporen und Mycotoxinen sowie für die Bindung der bei der Vinifizierung entstehenden Gase. Letzteres entzieht den Schimmelpilzen und sonstigen Mikroben die Nährstoffgrundlage. Die optimale Luftfeuchtigkeit und die Bindung von Toxinen hält eine gesunde Mikroflora im Keller aufrecht, was vor sensorischen Weinfehlern schützt. Die Erfahrungen einer ersten Wintersaison im Walliser Versuchskeller zeigen, dass sich die Luftfeuchtigkeit stabil zwischen 65% und 75% eingestellt hat.
Pflanzenkohle-Lehmputze für Wohnräume
Die Technologie der Gebäudesanierung mit Pflanzenkohle-Lehm-Gemischen, die das Ithaka Institut für Weinkeller entwickelt hat, lässt sich auch auf sonstige Räume wie Lebensmittellager, Ställe, Lagerhallen und vor allem auch auf Wohnräume, Bibliotheken, Seminarräume und Schulen übertragen. Gerade in Wohn- und Büroräumen hat eine optimale Luftfeuchtigkeit größten Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit derer, die sich länger in den Räumen aufhalten. Luftfeuchtigkeit unter 40% führt zum Austrocknen der Schleimhäute, was das Erkältungs-, Asthma- und Allergierisiko erhöht. Luftfeuchtigkeit über 70% führt in geschlossenen Wohnräumen zur erhöhten Belastung mit Schimmelsporen. Bereits eine zwei Zentimeter dicke Schicht eines Pflanzenkohle-Lehm-Putzes kann das Klima eines Wohnraumes merklich verbessern.

Pflanzenkohle-Lehmputze können auf die üblichen Wandbauplatten im Innenausbau wie Fermacell, Gipkartons- oder Lehmbauplatten aufgetragen werden. Es können auch massivere Wände, wie im Fachwerkbau oder zur Einbettung von Wandheizungen, mit Pflanzenkohle-Lehm errichtet werden. Gerade in Kombination mit Wandheizungen entsteht ein außerordentlich hoher Wohnkomfort, da die Pflanzenkohle-Lehmwände als Wärmespeicher wirken und für angenehme Strahlungswärme sorgen.
Pflanzenkohle-Ziegel und -Betone
Erste Versuche zur Herstellung von Pflanzenkohle-Ziegeln mit Zement, Kalk oder Lehm als Bindemittel sind vielversprechend verlaufen. Mit Nassrohdichten unter 1,2 kg/dm3 und teilweise unter 1 kg/dm3 bei Druckfestigkeiten um 20 N/mm2 scheint sich ein sehr spannendes, hoch funktionales Leichtbaumaterial in die Aufmerksamkeit zu rücken.

Sink City
Pflanzenkohle wird aus nachwachsenden Materialien hergestellt, weist keine toxischen Belastungen auf und kann am Ende des Lebenszyklus zu einem wertvollen Bodenverbesserer aufgearbeitet werden. So könnten Häuser, ja ganze Städte zu Karbonsenken werden und nach vielen Jahrhunderten schließlich kompostiert werden, damit Tomaten und Kartoffeln aus dem Schutt verfallener Häuser wachsen, anstatt, wie derzeit üblich, auf Sondermüllanlagen zu enden.
Bauen wir SINK CITIES mit Holz, Pflanzenkohle, Lehm und Kalk, Hanf, Stroh, Wolle. Anstatt Kohlendioxid aus den Schornsteinen von Kohle- und Erdgaskraftwerken abzutrennen und unter die Erde zu pressen (CSS), speichern wir Kohlenstoff sinnvoll und nützlich in den Gebäuden unserer Städte. Füllen wir zugleich die Städte mit neuen Pflanzen auf, so dass wenigstens 7 – 10% des Stadtvolumens von Pflanzen eingenommen wird. Nutzen wir Terra Preta für die Neupflanzung von Straßenbäumen, für begrünte Dächer und Fassaden, für Balkongärten und Topfpflanzen in allen Räumen. Die Photosyntheseleistung der Städte könnte durch ein Leichtes mehr als verzehnfacht werden. Städte könnten zu Kohlenstoffproduzenten und Kohlenstoffspeichern werden, wobei in dem von Pflanzen aufgenommenen und verdunsteten Wasser latente Wärme für den Überhitzungsschutz in den engen Stadtmauern sorgen würde. Wandeln wir plumpes CCS zu intelligentem C3S: Carbon Capture City Storage.
Wirkungen von Pflanzenkohle auf das Raumklima
• Feuchtigkeitsregulierung
• Isolation
• Lärmschutz
• Schadstoffbindung (Lösungsmittel, VOC)
• Abschirmung hochfrequenter Strahlung
• Weniger elektrostatische Aufladung
• Konservierung von Holz
• Reduziert Staubbelastung (Milben!)
• Deodorierend
• Ästhetisch
• Antibakteriell, fungizid
• Luftreinigend
• Erhöhung des Redoxpotentials
• Emission von langwelligem Infrarotlicht
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