Kon-Tiki - Die Demokratisierung der Pflanzenkohleproduktion

von Hans-Peter Schmidt & Paul Taylor

Eine so simple wie geniale Erfindung ermöglicht es fortan jedem Landwirt und Gärtner überall auf der Welt, selbst Pflanzenkohle in genügender Menge und bester Qualität herzustellen. Mit überschaubaren Anschaffungskosten und dem Knowhow der alten Indianer von Ithaka lässt sich an einem Nachmittag ein Kubikmeter bester Pflanzenkohle aus den Reststoffen einer Farm oder eines Hinterhofes herstellen. Die Demokratisierung der Produktion von Pflanzenkohle wird zum Schlüsselelement der Schließung landwirtschaftlicher Stoffströme.

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Industriell hergestellte Pflanzenkohle wird in den nächsten Jahrzehnten vermutlich zu einem der entscheidenden Rohstoffe der biobasierten Wirtschaft. Da die Pflanzenkohle aber hauptsächlich in der Elektronik, der Bauindustrie, der Papierherstellung, der Abwasserreinigung und für sonstige neue Materialen im 3D-Druck verwendet werden wird, ist schon heute absehbar, dass industriell hergestellte Pflanzenkohle wohl zu teuer bleibt, um als bloßer Bodenverbesserer oder Güllezusatz in der Landwirtschaft zum Einsatz zu kommen. Die einzige Chance, kostengünstig Pflanzenkohle für den landwirtschaftlichen Einsatz zu erhalten, besteht darin, dass Landwirte und Gärtner ihre eigene Pflanzenkohle aus den eigenen vor Ort anfallenden Reststoffen herstellen. Nur dann kann Pflanzenkohle am Ende lokaler Nutzungskaskaden auch wieder zum Grundbaustein humusreicher Böden werden.

Abb. 1: Pflanzenkohle-Produktion in den Walliser Alpen.
Abb. 1: Pflanzenkohle-Produktion in den Walliser Alpen.

Die Völker aller alten Hochkulturen stellten Holzkohle in so riesigen Mengen her, dass ganze Länder entwaldet wurden. Hauptsächlich wurde diese Holzkohle zum Schmelzen von Erzen, zum Schmieden und zum Brennen von Keramik verwendet, doch ein nicht unerheblicher Teil wurde offenbar in Verbindung mit organischen Abfällen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Böden verwendet (Glaser and Birk, 2012).

Wenn nun aber die Völker vergangener Jahrhunderte Holz- und Pflanzenkohle in so großen Mengen herzustellen vermochten, wie kann es dann sein, dass es im Zeitalter der Hochtechnologie und nach inzwischen Millionen schweren Forschungsprojekten noch nicht gelungen ist, eine einfache, verlässliche und bezahlbare Anlage zu entwickeln, um auf Bauernhöfen und in Gemeinden aus den dort anfallenden Reststoffen wirtschaftlich rentabel Pflanzenkohle zu produzieren?

Wie haben unsere Vorfahren ohne Kettensägen, ohne Stahl, ohne Förderbänder und Elektromotoren so enorme Mengen Pflanzenkohle hergestellt, dass im Durchschnitt etwa ein Fünftel des Kohlenstoffs im Humus der weltweiten Böden Pflanzenkohle ist (Kluepfel et al., 2014; Rodionov et al., 2010; Schmidt and Noack, 2000). Auch wenn der Hauptteil dieser Pflanzenkohle im Humus durch natürliche, häufig wohl aber von Menschen veranlasste Wald- und Steppenbrände (Gammage, 2012; Gerlach et al., 2012; Rodionov et al., 2010) in die Böden gelangt ist, so muss doch im Umkreis von Siedlungsplätzen, wo der Anteil der Pflanzenkohle um ein weites den der sonstigen Böden übersteigt, die Pflanzenkohle aus gezielter Produktion stammen (Gerlach et al., 2012, 2006). Denn die kleinen Reste, die im Herdfeuer zurück bleiben, können die gefundenen Mengen (Glaser and Birk, 2012) nicht erklären.

Vom Feuer lernen

Wer je versucht hat, wenigstens hundert Quadratmeter wild gewachsenen Wald zu roden und pflügbar zu machen, der wird, selbst wenn er Kettensäge und Bagger zur Verfügung hat, sehr schnell einsehen, dass lediglich Feuer hilft, wenn man außer Steinaxt und Messer keine anderen Werkzeuge zur Hand hat. Feuer war für wenigstens 25.000 Jahre das wichtigste und allgegenwärtige Mittel aller jeder Kultur und aller Völker und Sippen, um sich in der Natur einen Platz zum Leben zu verschaffen. Nur durch die Nutzung von Feuer konnte der Mensch die Umwelt an seine Bedürfnisse anpassen und die ihm verfügbaren Ressourcen in einer Weise nutzen, die seine physischen und intellektuellen Vor- und Nachteile gegenüber der Tierwelt zu seinem Nutzen wenden.

Erst und nur das Feuer ermöglichte den Menschen, bevor sie die Umwandlung von Sonnenenergie und Biomasse in Strom erlernten, sich sicher und behaglich in ihrer Umwelt einzurichten. Wer aber täglich mit Feuer umgeht, jede Mahlzeit am Feuer bereitet, seine Werkzeuge und jeden Nagel daran schmiedet, Kalk brennt, Keramik schrüht, sich wärmt und seine Weiden und Wälder unterhält, der hat irgendwann gelernt, wie ein Feuer anzulegen ist, damit es maximale Wärme erzeugt und weder Haus noch Dorf in beißenden Rauch einhüllt: Ein rauchloses Feuer aber zündet man, anders als man intuitiv meint, von oben an und nicht von unten.

Die Analogie des Streichholzes

Anders als man wiederum intuitiv denkt (siehe hier das spannende Feld der intuitiven Physik), brennt Holz eigentlich nicht, sondern es brennt das Gas, dass beim Erhitzen von Holz ausdampft. Reibt man die Schwefelkuppe eines Streichholzes an der rauen Fläche der Streichholzschachtel, wird der Schwefel genug erhitzt, um sich zu entzünden. Der brennende Schwefel erzeugt sodann die Wärme, die das Holz des Streichholzes zum Ausgasen bringt, und das Gas an der Flamme des Schwefels entzündet. Es brennt dann also nicht das Streichholz, sondern das Holzgas, welches das Holz des Streichholzes immer weiter erhitzt, so dass es weiter ausgast und das Gas verbrennt. Unter der Flamme des Holzgases aber verkohlt das Holz, da die Flamme um das Streichholz herum allen Sauerstoff verbraucht, so dass unter dem Schutz der Flamme das Holz quasi unter Sauerstoffabschluss pyrolysiert. Wie man weiß, brennt das Streichholz mit sauberer Flamme, verkohlt in ihr, und beginnt erst zu rauchen und zu qualmen, wenn man es ausbläst, weil dann die Holzgase eben nicht mehr brennen, sondern bis zur vollständigen Abkühlung unverbrannt ausgasen.

Abb. 2: Pyrolyse unter Schutzgas am Beispiel eines Streichholzes (Bild: Thomas Reed).

Und genau wie ein Streichholz funktioniert auch ein rauchloses Feuer, das man von oben entzündet, damit das Feuer in der obersten Schicht die nächst untere Schicht erhitzt und diese folglich auszugasen beginnt, wobei das Gas nach oben aufsteigt, von der darüber liegenden Feuerfront ergriffen wird und sauber verbrennt, anstatt qualmend zu verrauchen. Zündet man ein Feuer von unten an, beginnt zwar ebenfalls das darüber liegende Holz auszugasen, doch kann die Flamme nur einen Teil des aufsteigenden Gases erfassen. Anstatt vollständig abzubrennen, qualmt es in den Schornstein, ins Haus oder gar in die Kleider, Augen und Nasen der ums Feuer Sitzenden.

Zündet man hingegen einen geschickt locker geschichteten Holzhaufen mit genug kleinen Ästen oben an, muss alles entstehende Holzgas durch die jeweils darüber liegende Feuerfront, es kommt daher zu einer sauberen, rauchgasfreien Verbrennung. Unter der fast sauerstofffreien Feuerfront (nur von der Seite des Holzhaufens wird Luft angesaugt) verkohlt das Holz Schicht für Schicht nach unten. Die verkohlten Holzpartikel fallen durch den lockeren Haufen nach unten, so dass unter der Feuerfront beständig frisch ausgasendes Holz zu liegen kommt. Man muss den brennenden Haufen dann nur noch im richtigen Moment durch Wasser löschen oder mit Erde ersticken, und schon hat man anstatt Asche und rauchiges Feuer ein gutes Fünftel des Holzes zu Kohle pyrolysiert, und zuvor noch rauchlos gekocht, geschmiedet oder sich gewärmt.

Vom Grundprinzip rauchlosen Feuers

Die Überlegungen über dieses Grundprinzips des rauchlosen Feuers nahmen wir zum Ausgangspunkt zur Entwicklung des Kon-Tiki, eines nach oben hin offenen, konischen Meilers zur Herstellung von Pflanzenkohle. Den Namen Kon-Tiki wählten wir in Erinnerung an Thor Heyerdahl, dem in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts kein Wissenschaftler glauben wollte, dass Ureinwohner Südamerikas mit handgefertigten Booten den Pazifik bis nach Polynesien zu überqueren vermochten. Virulent griffen die Experten Heyerdahls Theorie an, bis er sie schließlich Verstummen ließ, als er eben solch ein Boot nur mit den Werkzeugen und Materialien der südamerikanischen Ureinwohner baute, und darin von Lima aus den halben Pazifik bis nach Polynesien überquerte. Sein Boot nannte er nach dem südamerikanischen Sonnen- und Feuergott: Kon-Tiki.

Abb. 3: Mit diesem Floss, gebaut nur mit Materialien und Werkzeugen der südamerikanischen Ureinwohner überquerte Thor Heyerdahl 1946 den halben Pazifik. Er nannte es nach dem Feuergott, Kon-Tiki.

Unser Ziel war ganz ähnlich, wenn auch bei weitem nicht so abenteuerlich. Zum einen wollten wir nachvollziehen, wie unsere Vorfahren mit einfachsten Mitteln und ohne Hochtechnologie große Mengen Pflanzenkohle produzieren konnten. Und zum anderen suchten wir nach genau solch einer einfachen, kostengünstigen, überall adaptierbaren Technik für ein Terra Preta Projekt in Nepal. Dort, wie in vielen armen Regionen der Welt, wo Pflanzenkohle am meisten benötigt wird, können sich die Dörfer unmöglich eine unzuverlässige Hightech-Pyrolyse für eine halbe Million Dollar leisten. Wenn frühere Völker in Südamerika, in Australien, Skandinavien, Palästina, China, ja eigentlich fast überall auf der Welt solch unvorstellbare Mengen an Holz- und auch Pflanzenkohle herstellen konnten, dass ihre Böden teils durch und durch schwarz wurden, so muss dies doch auch heute selbst in den ärmsten tropischen Ländern gelingen können. Dass wir dabei auf eine Technologie stoßen würden, die es auch in den reichen Ländern den Landwirten und Gärtnern ermöglicht, ihre Pflanzenkohle viel günstiger selbst herzustellen, als sie von industriellen Herstellern zu kaufen, ahnten wir da noch nicht. Wir sind also gedanklich zunächst noch einmal zu den rauchlosen Feuern der Vorfahren zurückgekehrt und haben dies mit den Beobachtungen der Archäologen kombiniert, dass nämlich die Schwarzerde häufig in deutlich abgegrenzten Kegelformen mit einem oberen Durchmesser von 2 – 3 m und einer Tiefe von 1m50 in den Bodenprofilen zu finden ist (Eckmeier et al., 2008; Gerlach et al., 2006).

Abb. 4: Typischer Profilschnitt eines Bodens westlich von Köln. Unter den oberflächlichen Lockersedimenten befindet sich ein Schwarzerdehorizont mit anbindenden bis zu 2m tiefen Schwarzerdegruben mit hohem Holzkohleanteilen  (aus: Gerlach et al. 2012).

Zunächst vermuteten wir, dass diese ausgehobenen Erdkegel einfach Müllgruben waren, die, wenn sie aufgefüllt waren, von oben nach unten niedergebrannt wurden, um dann wieder aufgefüllt zu werden. In einigen Fällen wird das sicher auch so gewesen sein. Aber was, wenn diese knapp mannshohen Kohlegruben als gewollte „Gefäße“ zur Pyrolyse verwendet wurden, und die seitlich sowie nach unten geschlossene Form dieses „Feuerloches“ verhinderte, dass wie beim einfachen Scheiterhaufen sauerstoffreiche Luft von der Seite einströmen konnte? Dies galt es nun zunächst als experimentelle Archäologie zu testen!

Offene Erdmeiler

Sorgt man am Boden der Erdgrube durch ein Initialfeuer für ein kräftiges Glutbett, kann auf dieses nach und nach und Schicht auf Schicht brennbares Material wie Holz, Essenreste, Knochen, Blätter, Stroh usw. aufgeworfen werden. Die Gluthitze sorgt dafür, dass die aufliegende Biomasse ausgast und das so austretende Gas entzündet wird. Brennt das Pyrolysegas, verbraucht es allen Sauerstoff aus den darunter liegenden Schichten und verhindert damit quasi als Schutzgas, dass Sauerstoff von oben in die Pyrolysezone eindringen kann, während es von der Seite und von unten durch die Erdwände luftdicht gehalten wird. Das Feuer selbst also sorgt für den Luftabschluss nach unten, so dass die unter dem Feuer liegenden Schichten, anstatt zu verbrennen, ausgasen und verkohlen. Nach einigen Stunden entstehen so durch das stetige Aufschichten und Ausgasen frischer Biomasse einige Kubikmeter Pflanzenkohle. Will man diese Kohle nutzen, muss sie nur noch durch eine 5-10 cm dicke Erdschicht erstickt oder durch Wasser abgelöscht werden.

Abb. 5: Produktion von Pflanzenkohle in einer 90 cm tiefen Bodengrube mit Steineinfassung.

Inspiriert von Josiah Hunt (siehe hier ein Video über seine Methode) testeten wir zunächst die Produktion von Pflanzenkohle in einem offenen Erdmeiler. Und es funktionierte! Gleich im ersten Versuch stellten wir einige hundert Liter offenbar bester Pflanzenkohle in einem konisch ausgehobenen Erdloch her. Der Erfolg war Anlass genug, sich eingehendere Gedanken über das System des Erdmeilers zu machen und zu überlegen, wie sich das beschriebene Prinzip technisch umsetzen und steuern ließe.

Mit dem Feuer, nicht gegen das Feuer

Eine Recherche unter den Biochar-Kollegen der Welt ergab rasch, dass wir nicht allein auf dem Weg dieser Entwicklung waren. Auf ihrer höchst wertvollen Webseite Backyard Biochar präsentierte Kelpie Wilson bereits einige Beispiele wie den japanischen Moki-Kiln, den australischen Moxham Kiln, Kelpie Wilsons Pyramid Kiln oder Michael Wittmanns Cone Kiln. All diese Meiler (kiln) waren vergleichsweise klein, und eher für den Garten und Hobbybereich geeignet, aber das Prinzip war klar: Biochar mithilfe des Feuers und nicht durch Unterdrückung des Feuers herzustellen.

Auf Basis dieser grundlegenden Erkenntnis, die für die Pflanzenkohleproduktion quasi eine Kehrtwende von der gesamten modernen Pyrolysetechnik bedeutete, war der Weg zur Entwicklung eines optimierten, industriell standardisierbaren Kon-Tiki für die Produktion von qualitativ hochwertiger Pflanzenkohle in nennenswerten Mengen und zu außerordentlich günstigen Kosten quasi vorgezeichnet. Der Teufel freilich steckt im Detail, und es brauchte viel experimentelle Arbeit und theoretische Modelle bis wir uns schließlich den ersten optimal dimensionierten Modellen für höchste Kohlequalität bei geringsten Emissionen annäherten. Aber das Leitprinzip stand fest: Die Pyrolysegase als Schutzgas verwenden, und durch das Feuer selbst für Luftabschluss zur Pyrolysezone sorgen.

Abb. 6: Und dann erinnerten wir uns auch jener Feuerschalen, die quer durch den Orient zur Darbringung von religiösen Opfern verwendet wurden. Unter dem Namen Agni Hotra, dem vedischen Feuerritual, sind sie noch heute in Indien weit verbreitet. Die Größe der Agni Hotra Schalen ist zwar im Allgemeinen klein, aber für Tempelrituale gab es riesige Feuerschalen aus Kupfer. Die Dynamik der rauchlosen Flammen, die über den Feuerschalen zum Himmel tanzen, zeigte klar, dass wir von der Physik des Feuers her auf der richtigen Spur waren.

Kon-Tiki Kegelmeiler

Auch wenn die Kohlequalität aus den ersten Versuchen mit ausgehobenen Erdmeilern bereits recht gut schien, und die offene Verbrennung der Pyrolysegase ziemlich raucharm stattfand, so war die Kohlequalität zu inhomogen für standardisierbare Produkte und die Verbrennung schon bei leichten Windstößen zu instabil, um die Emissionen hinreichend unter Kontrolle zu bekommen. Wir mussten hier einen Schritt weiter gehen, um unter standardisierten Bedingungen die Funktionsprinzipen genauer zu untersuchen und die Parameter des Systems optimal aufeinander abzustimmen. So bauten wir den ersten 850 Liter großen Kon-Tiki aus Stahl.

Abb. 7: Der erste Versuchs Kon-Tiki hatte eine Durchmesser von 150 cm, eine Höhe von 90 cm und Fassungsvermögen von 850 l. Gebaut wurde er von Markus Koller.

Mit einem oberen Durchmesser von 1,50m, einer Höhe von 0,90m und einer Wandneigung von 60° wurde eine steile Kegelform gewählt, so dass sich das Kohlebett unterhalb der Feuerzone durch das Nachrieseln neu entstehender Kohlestücke gut verdichtet und die Feuerfront an der Oberfläche für einen zuverlässigen Luftabschluss sorgen kann. Das entscheidende Kriterium für den Erfolg der neuen Stahlform war allerdings, wie sich die Verbrennungsdynamik entwickeln würde, wenn die konische Form nicht mehr in den Boden eingelassen ist, sondern auf dem Boden steht. Anders als die Lehmwände im Erdmeiler reflektiert die Stahleinfassung die Pyrolyse- und Verbrennungswärme zurück in den Meiler, was eine gleichmäßigere Temperaturverteilung und damit eine homogenere Verkohlung und Kohlequalität garantiert. Als noch wichtiger erkannten wir allerdings, dass die von oben in den Meiler hineingesogene Verbrennungsluft zunächst außen an den heißen Außenwänden des Kon-Tiki aufsteigt, wodurch sie erwärmt wird. Dies verringert die Abkühlung der zu verbrennenden Gase deutlich und erzeugt eine stabile Verbrennungsdynamik, die die Rauchentwicklung stark reduziert.

Abb. 8: Die über die heiße Aussenwand in den Meiler eingesogene Verbrennungsluft wird über dem Glutbett verwirbelt und sorgt damit für eine gute Durchmischung von Pyrolysegasen und Verbrennungsluft, wodurch der Kon-Tiki sehr geringe Emissionswerte aufweist.
Sobald der Meiler seine Arbeitstemperatur von 650°-700°C erreicht, treten tatsächlich kaum noch sichtbare Rauchgase aus. Die Verbrennungsluft wird über den Metallrand der Außenwände hinweg in den Reaktor hineingesogen und in eine rotierende Bewegung hinab zur Glutzone gezwungen.. So entstehen regelrechte Gaswirbel, die für eine perfekte Durchmischung der Pyrolysegase mit der Verbrennungsluft sorgen. Da zugleich die brennenden Gase nach oben entweichen müssen, entstehen zur Mitte des Reaktors gegenläufig drehende Gaswirbel, wobei sich die Wirbel wie in einem Uhrwerk gegenseitig antreiben und beschleunigten (siehe Abb. 7). Dank dieser horizontalen Wirbel stabilisiert sich (1.) die Luftversorgung der Feuerzone und (2.) die gesamte Gasverbrennung, wobei die schwereren Rauchgase solange in den Wirbeln gehalten werden, bis sie vollständig verbrannt sind. Die Entwicklung der horizontalen Gas-Luftwirbel, die für eine stabile, rauchfreie Verbrennung sorgen, sind neben der Nutzung des Feuers zum Luftabschluss der Pyrolysezone das zweite grundlegende Prinzip der Kon-Tiki Technik.

Optimierung der Verbrennung durch Verwendung eines Außenmantels

Zur weiteren Optimierung der Verbrennungsdynamik wurde der Kon-Tiki mit einem dünnen metallischen Mantel umgeben, so dass zwischen den geneigten Wänden des Meilers und dem äußeren Mantel die Verbrennungsluft stärker erwärmt wird. Der Mantel ragt knapp zehn Zentimeter über den Rand des Meilers, wodurch zum einen verhindert wird, dass kalte Verbrennungsluft direkt in den Meiler gesaugt wird und zum anderen, dass etwaige Windstöße die Verbrennungsdynamik stören. Tatsächlich gleitet die dichtere kalte Luft von der Außenseite des Mantels auf der vorgewärmten Luft aus dem Zwischenraum von Meiler und Mantel, was außerordentlich stabilisierend wirkt und verhindert, dass Rauch oder gar Feuer seitlich aus dem Kon-Tiki ausbrechen können. Ein weiterer Vorteil des Mantels besteht darin, dass die Kon-Tiki-Innenwand nicht durch die Außenluft oder gar durch Windstöße gekühlt wird, was die Reflexionsleistung ins Innere der Pyrolysezone verbessert. Zudem schützt es die Arbeiter vor etwaigen Verbrennungen. Tatsächlich erwärmt sich der Mantel nur im aller obersten Bereich auf maximal 60°C.

Trocknen und Pyrolysieren

Wie schon bei den offenen Erdmeilern beobachtet, trocknet die Feuerfront an der Oberfläche rasch die nachgelegte Biomasse, so dass dank der enormen, bei der Pyrolyse frei werdenden Trocknungsenergie auch feuchte Biomassen problemlos verkohlt werden können. Hat sich erst einmal ein energiereiches Glutbett am Boden des Kon-Tikis gebildet, kann sogar frisch geschnittenes Holz, Laub oder auch Viehmist pyrolysiert werden. Entscheidend ist, dass der Kon-Tiki genügend Energie zur raschen Verdampfung des Wassers freisetzt. Der Kon-Tiki funktioniert also zugleich als Trockner und als Pyrolysator. Gegenüber den meisten geschlossenen Pyrolysesystemen ist allein dies schon ein großer Vorteil.

Abb. 9: Sobald ein kräftiges Glutbett die Pyrolysetemperatur auf 700°C bringt, kann auch frisches Holz aufgelegt werden. Der Kon-Tiki funktioniert dann zugleich als Trockner und Pyrolysator.

Entzünden und Nachschichten

Beim ersten Versuch des Anfeuerns im ziemlich tiefen Kon-Tiki fürchteten wir schon, dass es nicht funktionieren würde, denn tief unten im Stahlbehälter ist der Sauerstoff sehr schnell aufgebraucht. Tatsächlich war es zunächst unmöglich, auch mit noch so gutem Zündholz ein Feuer zu entfachen. Nach einigen Versuchen und Überlegungen fanden wir aber eine höchst praktikable Anfeuerungstechnik, die uns noch immer jedes Mal aufs Neue begeistert.

Man baut dazu in der Mitte des Meilers bis auf eine Höhe von etwa drei Viertel einen hölzernen Kamin aus möglichst trockenem Scheitholz, das dafür viereckig ineinander gestapelt wird. Dieser luftige Holzkamin wird mit etwas Zunder oben angezündet. Wenn die obersten beiden Reihen des Kamins gut brennen, entsteht ein Zug, der innen an den Seitenwänden des Meilers Luft nach unten und im Kamin wieder nach oben zieht. Stellt sich dieser Effekt nach knapp zehn Minuten ein, stößt man das brennende Holz von oben den Kamin hinab, so dass sich der Fuß des Holzkamins entzündet. Nach weiteren rund fünf Minuten kann der „Kamin“ dann zusammengestoßen und gleichmäßig am Boden ausgebreitet werden.

Abb. 10: Entzünden des Holzkamins in der Mitte des Kon-Tiki.

Weitere fünf bis zehn Minuten später hat sich ein ausreichend heißes Glutbett gebildet, und die Oberflächenschicht beginnt sich mit weißer Asche zu überziehen. Dies ist der Moment, um die erste Biomasseschicht aufzulegen. Sie sollte möglichst gleichmäßig die Glutzone bedecken und auf keinen Fall zu dick sein. Sobald sich diese neue Biomasseschicht ebenfalls mit weißer Asche überzieht, ist dies das Zeichen, dass das meiste Holzgas entwichen ist und die entstandene Kohle zu glimmen beginnt, so dass die nächste Biomasseschicht aufgeschichtet werden kann. Dieser Vorgang des Nachlegens wird alle fünf bis zehn Minuten bis zum Ablöschen wiederholt. Die Arbeit mit dem Kon-Tiki bedarf folglich die beständige Präsenz einer Person, die geschickt frische Biomasse nachlegen muss. Verpasst man den richtigen Zeitpunkt, beginnt die Kohle zu verglühen, wodurch sich der Ascheanteil der Kohle erhöht. Schichtet man zu schnell zu viel Biomasse auf, genügt das Feuer nicht, um alle Pyrolysegase einzufangen und es kommt zu Rauchentwicklung.

Abb. 11: Wenn sich die oberste Biomasseschicht beginnt mit Asche zu überziehen, ist der richtige Zeitpunkt zum Nachlegen der nächsten Schicht. Unter der nächsten Schicht verkohlt die Biomasse dann vollständig.

Feuerungsdauer

Im Vergleich zu einer automatisierten Anlage besteht der Nachteil des Kon-Tikis also darin, dass er während der gesamten Dauer von Hand beliefert werden muss. Je nach Art, Stückigkeit und Wassergehalt der verwendeten Biomasse dauert es zwei bis acht Stunden, um mit einem größeren Kon-Tiki 1 m3 Pflanzenkohle herzustellen. Verwendet man trockene Holzhackschnitzel, dauert es nur knapp zwei Stunden, ungetrockneter Rebschnitt dauert vier bis fünf Stunden, frisches Baumholz mit Scheiten, Ästen und Blättern dauert bis zu acht Stunden. Wiederum je nach Biomasse kann eine Person zwei bis vier Meiler parallel bedienen. An einem Arbeitstag kann eine Person also gut ein bis anderthalb Tonne Pflanzenkohle herstellen, was in etwa der Tageskapazität (also 24h im kontinuierlichen Betrieb) von mittelgroßen technischen Pyrolyseanlagen entspricht.

Abb. 12: Einhängen des Aussenmantels zur Optimierung der Verbrennungsdynamik.

Ein weiterer Vorteil des Kon-Tiki besteht darin, dass die Biomasse nicht homogenisiert, gehäckselt oder gar pelletiert werden muss, sondern einfach grob und bis zu 120 cm lang aufgeschichtet werden kann, auch wenn die Verkohlungszeit dadurch um einiges länger ist als mit trockenen, kleinstückigen Biomassen. Bei der Verwendung von frischen Zweigen und Ästen entspricht die Größe eines Kon-Tiki etwa der Menge an Biomasse, die in acht Stunden bei der Landschaftspflege oder beim Schnitt von Feuerholz anfällt. Anstatt die für Feuerholz ungeeigneten Äste und das Gestrüpp auf einen lange nicht verrottenden Haufen zu werfen, kann man es quasi nebenbei im Kon-Tiki verkohlen.

Ablöschen

Der Kon-Tiki darf nur bis maximal 10 cm unter dem oberen Rand befüllt werden, da sonst die stabile Gas-Luft-Verwirbelung gestört und die Verkohlung der oberen Schichten inhomogen wird. Ist der Kon-Tiki also nahezu gefüllt, legt man die letzten zwei bis drei Schichten nur noch rasch verkohlendes Material wie dünne Äste oder Rebschnitt auf, da größere Stücke in der Endphase entweder unverkohlt bleiben oder für zu großen Abbrand und Asche sorgen würden.

Etwa 20 Minuten bevor die letzte Schicht pyrolysiert ist, wird der Wasserzufluss am Boden des Kon-Tiki geöffnet. So strömt langsam von unten Wasser in den Meiler. Trifft das Wasser auf die heiße Kohle, verdampft das Wasser. Der sich schließlich bis auf 700°C erhitzende Wasserdampf steigt durch das Kohlebett auf und sorgt nicht nur für eine langsame Ablöschung, sondern aktiviert die Pflanzenkohle. Durch den heißen Wasserdampf werden Kondensate aus den Poren der Pflanzenkohle ausgetrieben. Die Pflanzenkohle wird so quasi geputzt, womit das Porenvolumen und die innere Oberfläche der Kohle zunehmen. Auf diese Weise entsteht teilaktivierte Pflanzenkohle (Aktivkohle) mit Oberflächen von weit über 300 m2 pro Gramm, was höher ist, als es in den geschlossenen Systemen technischer Anlagen erreicht wird.

Abb. 13: Ablöschen der obersten Glutzone mit Wasser.

Das Feuer in der obersten Schicht des Kon-Tiki wird durch den Wasserdampf nicht gelöscht, weil die oberste etwa 20 cm dicke Glutzone so mit heißem Pyrolysegas gefüllt ist, dass sie auf dem steigenden Wasser aufschwimmt. Bemerkt man, dass die letzte Kohleschicht aufzuschwimmen beginnt, spritzt man diese von oben mit Wasser ab und löscht damit den Meiler komplett. Alternativ kann man den Meiler auch gänzlich von oben ablöschen, wobei sich allerdings der Effekt der Dampfaktivierung, wie er durch die Wässerung von unten entsteht, nicht einstellen kann. Das Porenvolumen und die spezifischen Oberflächen der Pflanzenkohle sind dann entsprechend kleiner. Möchte man die Kohle nicht nässen, sondern später z.B. als Grillkohle verwenden, kann man den Meiler entweder mit einem luftdichten Deckel schließen oder einfach Erde aufwerfen. Die durch Trockenlöschung entstehende Pflanzenkohle ist allerdings reicher an Kondensaten und auch Schadstoffen wie PAK. Für Grillkohle mag dies gut sein, da die Kondensate und Schadstoffe gut brennen, aber für den Einsatz in der Tierhaltung ganz gewiss nicht.

Abb. 14: Kristallklares Quenchwasser ist das beste Zeichen für einen sauberen Pyrolyseprozess.

Das Löschwasser, welches auch Quenchwasser genannt wird, kann man einige Stunden oder auch Tage im Meiler belassen. Durch den unteren Abfluss lässt es sich leicht ablassen. Das Quenchwasser ist sauber und transparent, aber seifig und hat einen recht hohen pH-Wert. Während der hohe pH-Wert auf die ca. 10% bei der Pyrolyse ebenfalls entstehende Asche zurückzuführen ist, entsteht die Seife durch die Reaktion der Asche mit Pyrolyseölen, die beim Dämpfen der Kohle aus den Poren ausgetrieben werden. Dieses seifige Quenchwasser eignet sich offenbar hervorragend zum Gießen von Obst- und Gemüsepflanzen, vertreibt Schnecken und Pilze und wirkt allgemein kräftigend auf die Pflanzen. Letztere Aussage beruht jedoch bisher nur auf eigenen Beobachtungen mit zwei Dutzend Pflanzenarten, systematische wissenschaftliche Untersuchungen stehen noch aus.

Qualität

Kon-Tiki Pflanzenkohle, die mit Wasser abgelöscht wird, erfüllte nach bisherigen Untersuchungen alle Ansprüche an die Premiumqualität des Europäischen Pflanzenkohle Zertifikates (EBC). Das offene Pyrolyseprinzip garantiert, dass der allergrößte Teil der Pyrolysegase aus der Kohle ausgetrieben und verbrannt wird, also nicht in Form von teils toxischen Kondensaten die Kohleoberflächen und Poren verklebt. Durch die langsame Ablöschung mit Wasserdampf wird die Pflanzenkohle noch zusätzlich gereinigt und aktiviert. Unter folgendem Link finden Sie die Analysedaten einer Kon-Tiki Pflanzenkohle.

Abb. 15: Wunderschön offene Porenstruktur einer Kon-Tiki Pflanzenkohle. Bild: Michael Hayes

Die Pyrolysetemperatur liegt im Kon-Tiki bei etwa 650-700°C mit kurzzeitigen Temperaturspitzen bis zu 800°C. In diesem Temperaturbereich wird die Biomasse einschließlich ihres Ligninanteils vollständig verkohlt. Es entsteht eine Hochtemperaturkohle von hoher Qualität, die sich insbesondere in der Tierhaltung als Zusatzstoff für Futtermittel, als Einstreu, zur Güllebehandlung, für die Kompostierung, zur Trink- und Abwasserbehandlung und allgemein zur Bindung von Toxinen und flüchtigen Nährstoffen eignet. Weniger geeignet ist die Kon-Tiki-Pflanzenkohle zum direkten Einsatz im Boden, da sie als Adsorber vermutlich die labilen Nährstoffe des Bodens und Signalstoffe von Pflanzen binden würde. Vor dem Einsatz als Bodenverbesserer muss die Pflanzenkohle aus dem Kon-Tiki also unbedingt zunächst mit Nährstoffen aufgeladen werden.

Zukunft

Die Verkohlung mit dem Kon-Tiki funktionierte vom ersten Versuch an besser, als wir es uns auch nur ansatzweise hätten träumen lassen. Trotzdem war längst nicht alles so einfach, wie es im Nachhinein scheint. Was es uns aber leicht gemacht hat, die unzähligen Versuche zur Optimierung der Form und Dimensionen durchzuführen und die thermodynamischen Rätsel zumindest ansatzweise zu knacken, war die grandiose Freude, unmittelbar mit dem Feuer zu arbeiten. Jeder Versuch dauerte mindestens sechs, meist jedoch acht bis zehn Stunden draußen am Waldrand, auf den Terrassen der Urahnen, im Angesicht der Berge. Manchmal luden wir Freunde ein, oft waren die Kinder dabei, die längst Feuer- und Biochar-Experten geworden sind. Es war der schönste Sommer: archäologische Zukunfts-Forschung am offenen Feuer. Wir haben gefilmt, fotografiert, unzählige Messungen durchgeführt, und neue Messtechniken erlernt.

Freundschaften haben sich am Feuer und beim Teilen der auf dem Kon-Tiki gekochten Mahlzeiten gefestigt. Es ging uns wie vielen unserer Vorfahren, wir haben mit den Kräften der Urelemente experimentiert und dabei die Ehrfurcht vor der Natur auf neue Weise entdeckt. Im Zeitalter der Hochtechnologie haben wir diese für einen Moment hinter uns gelassen, um wie Thor Heyerdahl auf seinem Floß im Meer an einigen Grundfesten der wissenschaftlichen und technischen Einbildung zu rütteln. So wie das Wunder alternden Weines auf dem dosierten Einfluss der Luft beruht, jenem Feind der Oenologen, so basiert die Qualität der Kohle, die unsere Böden letztlich wieder zu Schwarzerde machen könnte, auf dem dosierten Einsatz von Luft und Feuer.

Das erste Video, das wir im Juli 2014 auf youtube veröffentlicht haben (siehe oben), hat in Windes Eile viele Menschen in aller Welt erreicht. Für uns war von Beginn an klar, dass wir das Design ohne Patentschutz als open source Quelle zur Verfügung stellen würden. Trotzdem haben wir mit der eigentlichen Veröffentlichung eines Artikels über die Kon-Tiki Technik bis Ende des Herbst 2014 gewartet, um mehr Kenntnisse über die Funktionsprinzipien zu sammeln, das Design zu optimieren, und vor allem um mehr Sicherheit über die Qualität der Kohle, die Massenbilanzen und die Emissionen zu gewinnen.

Abb. 16: Frank Strie war der erste, der in Tasmanien fünf Kon-Tiki "Tas" baute und seinerseits wichtige Erfahrungen in die Entwicklung einbrachte. So geht zum Beispiel das aktivierende Quenchen von unten nach oben Frank Strie zurück.

Auf Basis des Videos und der gleichwohl bereits von uns zur Verfügung gestellten Konstruktionsunterlagen wurden bis November 2014 bereits Kon-Tikis in Australien, Irland, Kanada, Kalifornien, England, Ungarn, der Schweiz und Südafrika nachgebaut. In Nepal, Indien, Indonesien, auf Hawai, in Deutschland und Malawi sind derzeit weitere Kon-Tikis im Bau. Da an allen Orten, wo der Kon-Tiki bereits Pflanzenkohle produziert, die Begeisterung offenbar riesig ist, und nirgendwo Komplikationen aufgetreten sind, gehen wir davon aus, dass 2015 hunderte Kon-Tikis überall auf der Welt die Demokratisierung der Pflanzenkohleproduktion einläuten werden.

Ursprünglich für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern konzipiert, zeigt sich mehr und mehr, dass ebenso in Europa, Australien und Amerika Landwirte und einige andere die Chance ergreifen, ihre Pflanzenkohle selbst herzustellen und mit ihrer Nutzung die landwirtschaftlichen Stoffkreisläufe zu optimieren. Schließlich ist die eigene Herstellung von Pflanzenkohle wahrscheinlich der einzige Weg, um sie mit wirtschaftlichem Erfolg in der Landwirtschaft einsetzen zu können, dezentral, wie es dem Wachstum von Biomasse auf unserem Planeten entspricht.

Nächste Entwicklungsschritte

Mit zahlreichen Partnern in verschiedenen Ländern arbeiten wir derzeit an der Optimierung der Geometrie und Thermodynamik des Kon-Tiki. Für eine amerikanische Universität haben wir jüngst einen Forschungs-Kon-Tiki entwickelt, mit dem sich sämtliche Parameter überwachen und durch Dosierung der Luftzufuhr die Verbrennung steuern und messen lässt. Für ein Kompostwerk wurde ein Riesen-Kon-Tiki gebaut, um große Wurzelstöcke mit minimaler Zerkleinerung zu verkohlen. Zudem entwickeln wir derzeit kleiner dimensionierte Kon-Tikis für Hausgärten, um direkt vor Ort anfallenden Grünschnitt und organische Abfälle zu Pflanzenkohle zu verarbeiten und die Grillsaison zu bestreiten – mit Kohleproduktion statt Kohleverbrauch.

Abb. 17: Wer das Kon-Tiki Handwerk beherrscht, pyrolysiert mit dem Feuer und wie hier auf dem Bild ohne sichtbare Emissionen. Eine Zigarette raucht mehr als der gefüllte Kon-Tiki, der an einem Nachmittag 1 MWh Wärme produziert.

Der nächste technische Entwicklungsschritt wird die Integration einer Wärmerückgewinnung sein, denn die entstehende Wärme einer Kon-Tiki Feuerung beträgt mehr als 1 MWh, womit ein schlecht isoliertes Bauernhaus zwei Wochen lang geheizt werden könnte. Diese und weitere Entwicklungen, wie z.B. die Automatisierung des Kohleaustrages, werden Gegenstand weiterer Artikel sein. Aktuelle Informationen, Anleitungen und Videos über neuste Versuche finden Sie auf der Webseite des Ithaka-Instituts.

Das Geniale des Kon-Tikis sind die Eleganz der einfachen Form und die Vermeidung teurer beweglicher Teile und Steuerungen. Dadurch ist der Kon-Tiki robust und kostengünstig. Trotzdem glauben wir nicht, dass sich die Kon-Tiki Technologie für professionelle Unternehmen zur Herstellung großer Mengen Pflanzenkohle lohnen wird; hier bleiben automatisierte, kontinuierlich betriebene Anlagen mit geringem Personalaufwand unübertrefflich. Aber für kleinere und mittelgroße Landwirte, für Landschaftspfleger, für Winzer (Rebschnitt) und Kleingärtner, die gelegentlich ihre eigene qualitativ hochwertige Pflanzenkohle herstellen wollen, wird es kaum etwas Effizienteres, Preisgünstigeres und zugleich Schöneres geben.

Bauen oder Kaufen und eine Spende für Forschung und Entwicklung

(1. August 2016): Seit der Veröffentlichung dieses Artikels wurde der Kon-Tiki in über 50 Ländern in verschiedensten Formen und Weiterentwicklungen gebaut. Mehrere Firmen haben Kon-Tiki-Systeme auf den Markt gebracht. Während Kon-Tikis für professionelle Farmer einen Kubikmeter Kohle pro Stunde erzeugen und effizient die Restwärme zurückgewinnen, können Kleingärtner auf ihrem 150 l Garten Kon-Tiki komfortabel grillen. Wer nicht in optimierte Komplettsysteme aus Stahl mit Dampfablöschung und Vorwärmung der Verbrennungsluft investieren möchte, kann sich mit unserer Bauanleitung auch einen einfachen Erd-Kon-Tiki selbst graben oder einen alten Waschzuber umfunktionieren. Sofern dabei die Grundprinzipien eines stabilen Flammenteppichs über der zu verkohlenden Biomasse beachtet, wird Pflanzenkohle mit hervorragender Qualität erzeugen. Wer sich selbst einen Kon-Tiki schweißen oder in seiner Region die Produktion von Kleinserien aufbauen möchte, dem helfen wir gern im Tausch gegen eine Spende für die Unterstützung unserer Forschung mit technischen Zeichnungen und einer Bauanleitung. Zahlreiche weitere Informationen über und rund um den Kon-Tiki und die daraus gewonnene Pflanzenkohle finden Sie auf der Webseite des Ithaka Instituts.

Die gesamte Entwicklungsarbeit des Kon-Tiki hat das Ithaka Institut aus eigenen Mitteln bestritten, was uns an die Grenzen unserer finanziellen Möglichkeiten brachte. Da wir das Design den Landwirten der Welt frei und ohne Patentschutz zur Verfügung stellen, können wir auch keine finanziellen Gewinne aus dieser Arbeit ziehen. Aus diesem Grund geht hiermit auch an Sie, liebe Leser, die Bitte, unsere Arbeit mit einer Spende an das Ithaka Institut zu unterstützen, so dass wir die Forschung für die Weiterentwicklung des Kon-Tiki und die Demokratisierung der Pflanzenkohle-Produktion fortsetzen können. Finden Sie hier die Möglichkeit zur Überweisung Ihre Spende für die Entwicklung des Kon-Tiki.

Literatur

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Gammage, B., 2012. The Biggest Estate on Earth. Allen&Unwin, Sydney, Melbourne, Auckland, London.
Gerlach, R., Baumewerd-schmidt, H., Borg, K. Van Den, Eckmeier, E., Schmidt, M.W.I., 2006. Prehistoric alteration of soil in the Lower Rhine Basin , Northwest Germany — archaeological , 14 C and geochemical evidence 136, 38–50.
Gerlach, R., Fischer, P., Eckmeier, E., Hilgers, A., 2012. Dark soil horizons and archaeological features in the Neolithic settlement region of the Lower Rhine area , NW Germany : Formation , geochemistry and chronostratigraphy. Quat. Int. 1, 191–204.
Glaser, B., Birk, J., 2012. State of the scientific knowledge on properties and genesis of Anthropogenic Dark Earths in Central Amazonia ( terra preta de Índio). Geochim. Cosmochim. Acta 82, 39–51.
Kluepfel, L., Keiluweit, M., Kleber, M., Sander, M., 2014. Redox properties of plant biomass-derived black carbon (biochar). Environ. Sci. Technol.
Rodionov, A., Amelung, W., Peinemann, N., Haumaier, L., Zhang, X., Kleber, M., Glaser, B., Urusevskaya, I., Zech, W., 2010. Black carbon in grassland ecosystems of the world. Global Biogeochem. Cycles 24.
Schmidt, M.W.I., Noack, A.G., 2000. Black carbon in soils and sediments: Analysis, distribution, implications, and current challenges. Global Biogeochem. Cycles 14, 777–793.

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