Bürgerbewegung gegen Klimawandel
von Gerald Dunst & Lukas Bühler
Ithaka: Herr Gerald Dunst, Sie engagieren sich in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft in der Ökoregion Kaindorf. Was war die Motivation zur Gründung der Ökoregion Kaindorf?
Gerald Dunst: Im Jahr 2007 haben wir den IPCC Bericht studiert. Da wurde uns klar, dass wir etwas tun müssen, um dem Klimawandel entgegen zu wirken. Daraus entstand die Idee, die Ökoregion Kaindorf ins Leben zu rufen.

Ithaka: Welche Ziele verfolgen Sie in der Ökoregion Kaindorf? Welche Aufgabe hat die Arbeitsgruppe Landwirtschaft.
Gerald Dunst: Wir haben für die gesamte Ökoregion Kaindorf das Ziel, bis zum Jahr 2020 CO2-neutral zu werden. Um dies zu erreichen, haben wir verschiedene Arbeitsgruppen gegründet, die sich jeweils mit einem ausgewählten Themenkreis beschäftigen. Dazu gehören z.B. je eine Arbeitsgruppe zu den Themen Energiesparen, Mobilität, Wohnungsbau, Kaufverhalten sowie zu Wind und Wasser… Sehr schnell wurde uns jedoch klar, dass wir unser Ziel ohne den Einbezug der Landwirtschaft nicht erreichen werden. Zwar ist die Einsparung von Ressourcen sehr wichtig und auch die Bereitstellung von alternativer Energie, wie Windstrom. Dazu braucht es jedoch zusätzlich eine Methode, die den Anteil der in der Landwirtschaft freigesetzten Klimagase bindet. Nur so ist eine neutrale CO2 -Bilanz zu erreichen.
Wir wollen durch Humusaufbau im Boden aktiv Kohlenstoff aus der Luft binden. Gleichzeitig bereiten wir damit unsere Böden auf den bevorstehenden Klimawandel vor, da der Aufbau einer starken Humusschicht das Wasserrückhaltevermögen und das Einsickern von Wasser in den Boden fördert. Dadurch können die immer stärker werdenden Niederschläge aufgefangen und das Wasser kann vom Boden aufgenommen werden. Somit steht in einer darauf folgenden Trockenperiode den Pflanzen genügend Wasser zur Verfügung. Ein höherer Humusanteil im Boden vermindert effizient die negativen Folgen einer veränderten Niederschlagsverteilung.
Ithaka: Ihr Ziel ist ein humusreicher Landwirtschaftsboden mit hohem, stabilem Kohlenstoffgehalt. Wie gehen Sie dazu vor?
Gerald Dunst: Wir produzieren Kompost, der in den Boden eingetragen wird, wo er sich zu bodenbürtigem Humus umwandelt. Uns ist wichtig, dass unsere Komposte den jeweiligen Böden angepasst sind. Insbesondere muss das Kohlenstoff-Stickstoffverhältnis über dem des Bodens liegen. Damit betreiben wir Umweltschutz durch Kohlenstoff -Speicherung und zudem Grundwasserschutz, da durch die Umwandlung des Komposts in bodenbürtigen Humus der frei verfügbare Stickstoff zu einem grossen Teil an die organische Substanz gebunden und nicht ausgewaschen wird.

Ithaka: Welche Ansätze zur Kompostproduktion und zum Humusaufbau erachten Sie als die geeignetsten?
Gerald Dunst: Humusaufbau in effizienter Form kann im Boden nur stattfinden, wenn sehr viele Maßnahmen gleichzeitig miteinander kombiniert werden. Beispiele für wirksame Maßnahmen sind die Dauerbegrünung, das Anbauen von Mischkulturen, aufeinander abgestimmte Fruchtfolgen und generell eine Düngung, die der Biologie des Bodens entspricht. Das heißt, bei der Düngung wird bei uns auf handelsübliche mineralische Dünger und auf das Ausbringen von Gülle und Jauche verzichtet. Wir düngen ausschließlich mit Kompost und Gründüngung. Gülle oder Jauche bringen wir nur nach vorheriger Aufbereitung auf die Äcker.
Später werden auch noch Agroforstkulturen ein Thema sein. Damit kann in tiefere Bodenschichten vorgedrungen werden, um dort Kohlenstoff einzutragen und Wasser und Nährstoffe aus diesen Schichten heraufzutransportieren und verfügbar zu machen.
Ithaka: Wenn Sie heute ein Rezept für den Humusaufbau veröffentlichen müssten, wie würde dies lauten?
Gerald Dunst: Ein Rezept für Humusaufbau wird es so direkt wohl nie geben, weil die Klimagebiete sehr unterschiedlich sind und jeder Landwirtschaftsbetrieb für seine Bedingungen den richtigen Weg finden muss.
Bei der biologischen Produktionsweise werden aber bereits sehr viele Ansätze ausprobiert und viele Grundprinzipien werden beachtet. Das Problem hierbei ist der auftretende akute Stickstoffmangel. Deshalb sollte zum gezielten Humusaufbau anfänglich Stickstoff in hohen Mengen zugeführt werden dürfen. Mir scheint es unstrittig, dass in der Startphase, wenn mit einem niedrigen Humusgehalt von eins bis drei Prozent begonnen wird, die biologische Bodenaktivität den Humusaufbau noch nicht hinreichend zu fördern vermag. Deshalb ist es hierzu wichtig, dass man die organischen Reste des Feldes wegnimmt, diese gezielt kompostiert und zu Humus umwandelt und erst dann wieder auf das Feld zurückbringt, nachdem die ersten Umbauprozesse schon stattgefunden haben. Durch die neueren Technologien ist es möglich, einen hohen Anteil der organischen Materie in Humus zu überführen. Dieses Material würde, wenn man es auf dem Feld und im Boden belässt, komplett wegoxidiert, also zu CO2 werden. Ziel ist es deshalb, einen möglichst hohen Anteil des leicht zu oxidierenden Kohlenstoffes in stabilen Humus umzuwandeln. Daher ist es wichtig, dass das fertig kompostierte Substrat als organische Substanz aufs Feld eingebracht wird. Durch die neuen Technologien, wie den Zusatz von Biokohle, kann aus leicht abbaubarer organischer Substanz sogar eine sehr stabile Form von Kohlenstoff hergestellt werden.
Ithaka: Durch die Umstellung Ihrer Felder auf ökologische Landwirtschaft mit einem hohen Humusanteil verzichten Sie bewusst auf den Einsatz von künstlichen Düngern, um zusätzlich Ressourcen, die zur Produktion von solchen Düngemitteln benötigt werden, einzusparen. Wie sieht es mit dem Ertrag der angebauten Kulturen aus?
Gerald Dunst: Wir düngen ausschließlich mit Komposten; und wir wissen, dass aus den Komposten ungefähr 10 Prozent des Stickstoffes im ersten Jahr zur Verfügung stehen. Deshalb verwenden wir im ersten Jahr im Extremfall das 10-fache der normal notwendigen Kompostmenge, um einen vergleichbaren Ertrag zu erzielen. Von Jahr zu Jahr wird dann die Kompostgabe niedriger, weil aus den Vorjahresgaben immer mehr Stickstoff zur Verfügung steht. Uns ist wichtig, dass wir auch während der Humusaufbauphase mindestens gleich hohe Erträge wie auf konventionell bewirtschafteten Böden haben.
Ithaka: Was für eine Rolle spielt nun Biokohle in ihrem Konzept?
Gerald Dunst: Die Zumischung von Biokohle halte ich für eine Schlüsseltechnologie, da es auf diese Weise gelingt, bedeutend mehr Kohlenstoff im System zu halten. Wir haben gerade eine Versuchsreihe abgeschlossen, in der eindeutig nachgewiesen wurde, dass durch den Zusatz von Biokohle während der Kompostierung am Ende wesentlich mehr Fertigkompost übrig bleibt, als ohne den Zusatz von Kohle. In der Kompostierung mit einem Zusatz von ca. 20 Gew % Biokohle konnten bis zu 80% des Ausgangskohlenstoffes in Humus umwandelt werden. Umwandlungswerte wie diese waren bis anhin undenkbar und sind ein großartiger Erfolg!

Ithaka: Die Umstellung der Ackerflächen bringt einen finanziellen Aufwand mit sich. Wie konnte die Finanzierung sichergestellt werden?
Gerald Dunst: Wir haben für unsere seit drei Jahren laufenden Musterflächen die exakten Kosten erhoben, um zu wissen, wie viel die Umstellung den Landwirten kostet. Diese Kosten haben wir dem zusätzlich im Boden gespeicherten CO2 gegenübergestellt. Dies ergab einen Betrag von 25 bis 30 Euro pro Tonne im Landwirtschaftsboden gespeicherten CO2.
Mit diesen Preisen sind wir in einen kleinen, regionalen Zertifikatshandel eingestiegen. Die Landwirte, die in unseren Projekten dabei sind, erhalten von uns 30 Euro pro Tonne CO2. Diese CO2-Emissionsreduktionszertifikate bieten wir Firmen an, die freiwillig eine neutrale CO2 Bilanz anstreben. In der Region gibt es bereits mehrere Firmen, die Interesse daran haben und diese Zertifikate kaufen.
Denn sowohl für die Firmen als auch für die Landwirte entstehen Vorteile. Für die Firmen, dass sie sich als CO2-neutral ausweisen können, und für die Landwirte, dass ihnen der Humusaufbau finanziert wird. Der Reingewinn für den Landwirt ergibt sich schlussendlich aus den besseren Böden und den wertvolleren Ernten.
Ithaka: Wie viele Zertifikate konnten Sie veräußern? Anders gefragt, wie viel Kohlenstoff lagert zurzeit zusätzlich in Ihren Böden?
Gerald Dunst: Wir haben 2007 mit den ersten Versuchsflächen auf drei Hektar begonnen und hier konnten wir in zwei Jahren das Äquivalent von 100 t CO2 pro Hektar einbringen. Die Landwirte haben für diese erste Aufbauphase 2500 bis 3000 Euro pro Hektar bekommen.
In der Süd- und Oststeiermark haben wir die Versuche auf dreiunddreißig Landwirte ausgeweitet und haben jetzt insgesamt 70 Hektar Versuchsfläche, was einem Einsparungspotential von 7000 t CO2 entspricht.
Ithaka: Was für Unterstützung würden Sie sich wünschen, um Ihr Projekt weiter voranzutreiben?
Gerald Dunst: Die Problemstellungen sind momentan sehr vielfältig. Tatsache ist, dass wir momentan an unsere Kapazitätsgrenzen gestoßen sind. Es gibt wesentlich mehr dringende Forschungsfragen als wir alleine bearbeiten können. Deshalb sind wir auf der Suche nach Projekt- und Forschungspartnern, die bereit sind, für uns bestimmte Fragestellungen zu bearbeiten.
Eine wichtige Frage ist momentan, wie der Humusaufbau absolut umweltverträglich gestaltet werden kann. Dazu gehören Fragen zur Herstellung von Biokohle, zu Kompostierungsverfahren, zu Problemstoffen in der organischen Substanz und zur möglichen Auswaschung von Wert- und Schadstoffen ins Grundwasser.
Die Biokohle ist eine völlig neue Thematik und hat somit den größten Forschungsbedarf. Ungeklärte Fragen sind: Unter welchen Bedingungen kann Biokohle hergestellt werden? Welches Rohmaterial sollte dafür verwendet werden? Wie stabil ist der hergestellte Kohlenstoff und wie stabil bleibt er im Kompost und im Boden? Wie lange kann somit das der Atmosphäre entzogene CO2 im Boden gespeichert werden? Und zu guter Letzt, wie müssen die Charakteristiken der Kohle sein und wie muss deren Anwendung im Boden erfolgen, damit sich die erwarteten bodenverbessernden Funktionen einstellen.
Ithaka: Die Bürgerinitiative Ökoregion Kaindorf ist ein positives Beispiel gelebter Demokratie mit dem Mut, sich den wichtigen Fragen unserer Zeit zu stellen und konkrete Lösungen zu entwickeln. Wir hoffen, dass Sie durch Ihr Engagement und Ihren beachtlichen Erfolg Menschen zur Beteiligung an vergleichbaren Projekten bewegen können und danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.
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