Pestizidsteuer, Fleischsteuer, Rohstoffsteuern - keine Lohnsteuern

von Hans-Peter Schmidt

Wenn nicht Löhne und Gewinne besteuert würden, sondern der Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen, könnten Wirtschaftswachstum und Ökologie zumindest für eine Übergangszeit in Einklang gebracht werden. Kostenneutral würden hoch wirksame finanzielle Anreize für den ökologischen Wandel der Wirtschaft und den Stopp der Ressourcenvernichtung gesetzt. Ökologisches Handeln würde sich für Konsumenten und Produzenten wirtschaftlich auszahlen.

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(ein Artikel aus dem Jahr 2011, der uns merkwürdigerweise immer noch sehr aktuell erscheint)

Suggestivwirkung des Wirtschaftswachstums

Das Wirtschaftswachstum errechnet sich auf den im Grunde rein fiktiven Werten des Geldumsatzes., wobei es unerheblich ist, ob das Geld für die Produktion von Konsumgütern, für die Organisation königlicher Hochzeiten, für die Heilung von Krebskranken, den Kauf von Getreidefutures, für die Aufräumarbeiten an zerstörten Atomreaktoren oder Beerdigungen von Tornadoopfern ausgegeben wird. Insofern der Marktwert von Rohstoffen sich lediglich aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage errechnet und durch Spekulation stark beeinflusst wird, fallen die Folgekosten für die Umwelt sowie die künftige Verknappung dieser Ressourcen komplett aus den Kalkulationen des Wirtschaftswachstums heraus.

Die Bedeutung des Wirtschaftswachstums erklärt sich vor allem aus der Suggestivwirkung der simplen Tatsache des Wachstums selbst. Denn im Grunde geht es bei der Statistik des Wirtschaftswachstums hauptsächlich darum, dass Konsumenten und Produzenten genügend Vertrauen in die Zukunft fassen, um eigenes und geliehenes Geld rasch auszugeben bzw. zu investieren. Solange möglichst viele finanzielle Werte in zügigem Umlauf sind, kann sich die Mehrheit mit dem Eindruck trügen, dass Reichtum und Wohlstand wachsen und sich entsprechend wirtschaftsgünstig verhalten.

Finanzielle Anreize zu höherer Rohstoffeffizienz

Insofern das Wirtschaftswachstum also ohnehin eine fiktive Größe ist und seine Bedeutung vor allem durch Suggestivwirkung erlangt, könnte man die Fiktion auch anders als durch die Hinnahme von Ressourcenverschleiß und Umweltzerstörung erzeugen. Anstatt die Gewinne zu versteuern, könnte der Rohstoff- und Ressourcenverbrauch versteuert werden. Da die Geschwindigkeit der Geldzirkulation dadurch nicht sinken würde, bliebe es fürs Wirtschaftswachstum vorerst beim Gleichen. Und da die Steuersumme insgesamt gleich hoch bliebe, würde sich auch für das Staatseinkommen nichts ändern. Die Ressourceneffizienz jedoch könnte erheblich erhöht werden und der Verbrauch von nicht erneuerbarer Quellen ließe sich regulieren.

Wer mehr verbraucht, zahlt mehr Steuern. Da aller Verbrauch von Ressourcen zu Lasten der Gemeinschaft geht, wäre die Rohstoffsteuer damit auch gerechter als die Einkommenssteuer, die sich kaum als Lenkungsmaßnahme ökologisch gemeinnützigen Handelns eignet. Die Höhe der Ressourcensteuern könnte sich dynamisch am Steuerbedarf des Staates sowie am ökologischen Wert der jeweiligen Ressourcen regulieren. Auf diese Weise würde erstmals für eine finanzielle Rückkopplung der Wirtschaft mit ihren natürlichen Grenzen gesorgt, welche von der Gesamtheit der verfügbaren Ressourcen vorgegeben sind. Die Wirtschaft ist ein offenes Untersystem des Ökosystems und kann sich unmöglich über dessen Grenzen hinausentwickeln. Solang die Wirtschaftentwicklung nicht finanziell an das vom irdischen Ökosystem vorgegebenen Ressourcenpotential gekoppelt wird, nähert sich der ökologische Crash der Wirtschaft in exponentieller Funktion zur Zeit.

Ölsandproduktion in Kanada. Die derzeitige Produktion von 1,5 Milliarden Barrel Öl soll bis 2025 auf 3,5 Milliarden Barrel gesteigert werden. (Foto: Greenpeace)

Bisher berechnet sich der Preis für die Nutzung natürlicher Ressourcen nur über die Kosten, die für die Bereitstellung der Rohstoffe anfallen. Holz z.B. kostet soviel wie das Fällen, Transportieren, Trocknen und Sägen eines Baumes sowie das durch Spekulation beeinflusste Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Und zwar unabhängig, ob es der erste oder letzte Baum eines Waldes ist, solang genügend andere Wälder den Weltmarktpreis für Holz stabil halten. Für Öl, Phosphor, Wasser, Fisch und Getreide funktioniert die Preisbildung ebenso. Ohne staatliche Eingriffe kann sich dies nicht ändern, da in der freien Wirtschaft sowohl die Folgekosten wie z.B. Grundwasser-, Boden- und Luftverschmutzung als auch das Aufbrauchen nicht erneuerbarer Ressourcen wie z.B. das Abpumpen fossiler Grundwasservorkommen außerhalb der vom Markt bestimmten Wirtschaftlichkeitsrechnungen bilanziert werden. Die Folgekosten verteilen sich auf die Gemeinschaft und werden letztendlich durch Steuergelder und den Verlust an Lebensqualität von der Gesamtheit der heutigen und künftigen Gemeinschaft getragen.

Diese Schwachstelle des Wirtschaftssystems lässt sich nur korrigieren, wenn sämtliche ökologische Folgekosten auf die Produkte umgelenkt werden, was allerdings nicht durch die Wirtschaft selbst, sondern nur durch staatliche Regulierung erfolgen kann. Wenn dies erfolgt, funktionieren auch die Gesetze der freien Marktwirtschaft wieder, da die notwendigen Anreize für höhere Ressourceneffizienz geschaffen und die Wirtschaftsentwicklung dynamisch mit den ökologischen Systemgrenzen rückgekoppelt wären.

Eine solche Umstellung des Steuersystems ist im Grunde weniger kompliziert, als es auf den ersten Blick scheinen mag, und ließe sich weitaus transparenter als die Abschöpfung von Einkommens- und Gewinnsteuern gestalten. Für jede Tonne verbrauchten Kohlenstoffs müsste eine Quellensteuer erhoben werden und ebenso für jeden Kubikmeter verbrauchten Wassers, für Uran, Silizium, Phosphor, Stahl, Beton, Boden, Wald. Die Kosten würden dabei sowohl dem Produzenten als auch den Konsumenten verrechnet, und ein Produkt würde umso billiger, je weniger Ressourcen bei seiner Produktion aufgewendet werden. Wer Ressourcen, anstatt zu verbrauchen, wieder bindet, recycelt und erneuert, könnte durch Steuerbonifikationen vergütet werden. Wer also Humus aufbaut, Bäume pflanzt, Nahrungspflanzen nachhaltig anbaut, Kohlenstoff in den Boden zurückführt, Theaterstücke inszeniert, das Eis im Polarmeer wachsen lässt, Biomasse und Schmetterlinge in die Sahara oder Lachse in die Bergflüsse zurückbringt, erhielte Steuerrückzahlungen. Die sich selbst erfüllende Fiktion des Wirtschaftswachstums ließe sich auf diese Weise ohne Weiteres aufrecht erhalten. Es würde sogar eine gänzlich neue Wirtschaftslage geschaffen, deren Dynamik wie nach dem Weltkrieg einen regelrechten Wirtschaftsboom auslösen würde, nur dass in diesem Fall die eigentliche Lebens- und Lebensraumqualität nicht ignoriert würde.

Energie, Pestizide, Fleisch - Konkrete Schritte

Aufgrund der grenzenlosen Märkte wird sich dieses Konzept für einige Rohstoffe leichter als für andere umzusetzen lassen. Aber es ist auch gar nicht nötig, gleich von Beginn an ein fertig ausgeklügeltes System für alle Rohstoffe, Ressourcen und Spezialfälle zu verabschieden. Es lässt sich sehr gut schrittweise umsetzen, alles Weitere ergäbe sich aus der rasch sich entfaltenden Eigendynamik.

Am leichtesten einzuführen wäre eine Energiesteuer auf nicht erneuerbare Energien von beispielsweise 100%, womit die Lohnsteuer um ca. 5% gesenkt und Arbeitslosen wie Rentnern eine Beitragserhöhung zugesprochen werden könnte. Für das Gesamtsteueraufkommen des Staates wäre es das Gleiche, aber es gäbe einen wirklichen Anreiz zum Stromsparen und zu Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien. Selbst die Stromerzeuger würden durch Planungssicherheit keine Verluste einfahren, sofern sie in alternative Energien investieren. Parallel könnte die Steuer auf Heizöl, Zement und Abfälle im Ausgleich zu weiteren Lohnsteuerkürzungen erhöht werden.

Der nächste wichtige Schritt wäre eine je nach Giftklasse abgestufte Steuer auf Pestizide und Herbizide von bis zu 500%. Durch den großflächigen Einsatz dieser Produkten kommt es zu erheblichen Schädigungen der  natürlichen Ressourcen, der Lebensraumqualität sowie der Gesundheit. Derzeit werden die Kosten für diese Schäden wie selbstverständlich von der Allgemeinheit getragen, anstatt nach dem Verursacherprinzip von den Herstellern und Anwendern zurückgefordert zu werden. Durch die Einführung einer Pestizid und Herbizidsteuer würden die tatsächlichen Kosten dieser Produkte auf den Produktpreis aufgeschlagen, anstatt als versteckte Subvention von der Gemeinschaft geleistet zu werden.

Die Höhe der Pestizidsteuer müsste sich an den verursachten Umweltnebenkosten ausrichten. Die Lebensmittelpreise würden je nach der gewohnten Einsatzmenge solcher Produkte zunächst steigen, was durch abermals verringerte Lohnsteuern und erhöhte Renten- und Sozialbeiträge abgefedert werden müßte. Um die Bauern in dieser Umstellungsphase zu unterstützen, müsste eine zeitlich begrenzte Zwischenfinanzierung für die Umstellung auf nachhaltigere Anbaumethoden geschaffen werden. Um zu verhindern, dass die nationalen Märkte mit billigen pestizidbelasteten Landwirtschaftsprodukten aus dem Ausland überschwemmt werden, müsste auf allen Lebensmitteln die Einsatzmengen von Pestiziden, Herbiziden und Düngemitteln nach den entsprechenden Giftklassen aufgedruckt und eine Handelssteuer wie derzeit bereits bei Zigaretten erhoben werden. Allein diese Maßnahme würde alle Diskussionen um genmodifizierten Soja- oder Maisanbau umgehend beenden, denn die Herbizide würden zu teuer, als dass diese Art der Landwirtschaft noch rentabel wäre. Schließlich sind das Problem der genmodifizierten Futterpflanzen weniger die modifizierten Gene als vielmehr die Herbizide, mit denen die Felder der herbizidresistenten Pflanzen eingesprüht werden.

Des Weiteren sollte eine Fleischsteuer von ebenfalls bis zu 500% die Kosten für Regenwaldabholzung, genmodifizierte Futterpflanzen, Klimagase und Epidemien ausgleichen und dafür sorgen, dass der Fleischkonsum um wenigstens die Hälfte reduziert wird, was nach neuesten Berechungen die gesamten Treibhausgasemissionen eines mitteleuropäischen Landes um 20% reduzieren würde.

Die Recyclingsteuer sollte je nach Produkt variabel zwischen 10% und 250% die effektiven Umweltkosten für das Recycling von Konsumprodukten abdecken. Hinzu kämen eine Steuer auf jeden Quadratmeter versiegelten Bodens und ein Bonus für jeden neu gepflanzten Baum, Strauch und jeden Quadratmeter begrünter Dach- und Parkfläche.

Am Ende dieser Steuerreform könnte die Lohnsteuer komplett abgeschafft werden, während die Staatseinnahmen dank der entsprechend festgelegten Ressourcensteuern gleich blieben. Für den Staat und sein Volk würde daraus eine wirkliche Gestaltungsmöglichkeit erwachsen, um ohne Einbußen an Lebensqualität und Wirtschaftswachstum den eminent drohenden Zusammenbruch der Umwelt gerade noch zu verhindern. Es braucht im Grunde nicht viel, nur ein bisschen Mut zum Nachdenken und Entscheiden. Ein Kleinstaat wie Liechtenstein oder Luxemburg könnte zum Vorreiter und Beispiel für die Welt werden.

Ohne ein solches flexibles Steuersystem, das die ökologischen Grenzen der wirtschaftlichen Entwicklung zur Berechnungsgrundlage hat, wird wahrscheinlich weder der Klimawandel abgebremst noch die Erhaltung der Lebensräume noch überhaupt die Sicherung der Nahrungsgrundlage des größten Teils der Menschheit erreicht werden können. So wie die soziale Marktwirtschaft nur durch staatliche Eingriffe und Regulierung möglich wurde, wird auch die ökologisch-soziale Marktwirtschaft nur durch intelligente politische Rahmenbedingungen möglich werden.

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Empfohlene Literatur zum Thema:

Herman E. Daly (1996): Beyond Growth [eines der tiefgründigsten und wohlüberlegtesten Bücher über die Grundlagen einer ökologische Wirtschafsreform]

Lester R. Brown (2011): World on the Edge [ein eindringliches Buch, das konkrete Methoden und Massnahmen beschreibt, durch die bis 2020 die ökologische Wende erreichbar wäre]

Hans Christoph Binswanger (2011): Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen [5 wegweisende Essays vom Erfinder der Ökosteur]

Swantje Küchler, Bettina Meyer (2011): Was Strom wirklich kostet - Vergleich der staatlichen Förderungen und gesamtgesellschaftlichen Kosten von Atom, Kohle und erneuerbaren Energien. Langfassung (100 Seiten), Kurzfassung (10 Seiten inkl. Grafiken), Pressemeldung von Greenpeace Energy

Das Forum für ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) entwickelt ebenfalls Modelle für eine ökologische Steuerreform

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