Europas erste Biokohle-Produktion geht in Betrieb

von Hans-Peter Schmidt

Die energetische Effizienz der Biosphäre übersteigt nicht nur diejenige von Solarzellen, sondern auch jene von allen sonstigen CO2-Speicherverfahren. Die Firma Swiss-Biochar nutzt diesen natürlichen Prozess, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen und zugleich Energie sowie einen höchst wirksamen Bodenverbesserer zu gewinnen. Am Freitag, 16. April 2010, wurde in Lausanne Europas erste industrielle Anlage zur Produktion von Biokohle aus organischen Abfällen in Betrieb genommen.

Erst als man vor 2500 Jahren herausfand, wie sich Holz und Stroh zu Kohle verschwelen lassen, gelang es, so heiße Feuer zu entfachen, dass aus Erzen das wertvolle Eisen tropfte. Dieses ließ sich fortan zur Herstellung von Werkzeugen, Waffen und Maschinen verwenden. Viele Jahrhunderte lang wurde die Holzkohle jedoch nicht nur als Brennstoff, sondern auch als Bodenverbesserer verwendet. In Japan, in Amazonien, in Kenia, in Skandinavien, in Südfrankreich, überall, wo Menschen täglichen Umgang mit Holzkohle hatten, erkannten sie, dass sich die Fruchtbarkeit ihrer Böden erhöhte, sobald sie der Ackerfurche diese Kohle hinzu gaben. Im letzten Jahrhundert, als Braunkohle, Erdöl und synthetische Düngemittel viele traditionellen Methoden der Landwirtschaft obsolet machten, ging dieses Wissen samt der Bauernschläue verloren.

Seit knapp zehn Jahren entdeckt die Wissenschaft nun auf anderen Wegen abermals, dass man mit Kompost vermischte Holz- und Biokohle sterbende Landwirtschaftsböden wiederbeleben, die Ernten steigern, die Erosion bremsen, die Wasserhaltefähigkeit erhöhen, ja sogar Wüsten wieder urbar machen kann.

Wie entsteht Biokohle?

pyreg2Erhitzt man Biomasse wie Grünschnitt, Trester oder Viehmist unter Ausschluss von Luft auf Temperaturen von 400 Grad °C, so zerbrechen die langkettigen Kohlenstoffverbindungen, welche die Biomasse zusammenhalten. Bei diesem Vorgang, den man als Pyrolyse bezeichnet, entstehen brennbare Gase und Biokohle. Diese Biokohle, die von der Struktur her gewöhnlicher Grillkohle entspricht, besteht hauptsächlich aus reinem Kohlenstoff, der im Unterschied zur Biomasse nicht verrottet, also nicht von Mikroorganismen abgebaut werden kann.

Wird solche Biokohle in landwirtschaftliche Böden eingearbeitet, bleibt sie für mehrere Jahrtausende stabil und ist somit eine ideale Möglichkeit, das von Pflanzen assimilierte CO2 langfristig der Atmosphäre zu entziehen und somit den Klimawandel abzubremsen.

Positive Klimabilanz

Mit der Anlage, die am Freitag von Swiss-Biochar und dem Delinat-Institut in Betrieb genommen wurde, lassen sich aus 1 t Grünschnitt rund 500 kg CO2 dauerhaft der Atmosphäre entziehen und zudem 400 KWh Wärme erzeugen (siehe hier). Alle Energieaufwendungen wie der Transport des Grüngutes, dessen Zerkleinerung, die Maschinenbedienung sowie das Einbringen der Biokohle in den Boden sind dabei bereits berücksichtigt. Die Pyreg-Anlage selbst ist energieautonom und wird im kontinuierlichen Prozess betrieben. Die Energie, die zur Aufheizung der Biomasse auf 400 Grad benötigt wird, stammt aus der Biomasse selbst und wird bei der Verbrennung des bei der Pyrolyse entstehenden Gases erzeugt.

Pflanzen als Solaranlage – die Landwirtschaft als Klimaretter

Pflanzen sind Energiespeicher, deren Wirkungsgrad weit über allen technischen Formen der Energiespeicherung liegt. Pflanzen wandeln Sonnenenergie in chemische Energie um. Der Kohlenstoff aus dem Kohlendioxid der Atmosphäre wird dabei zu langkettigen Kohlenstoffmolekülen gebunden und in das Zellgewebe eingebaut. Erhitzt man dieses Zellgewebe auf 400 Grad, werden die langen Kohlenstoffmoleküle wieder aufgespaltet, wobei die einst von den Pflanzen gespeicherte Sonnenenergie wieder freigesetzt wird.

Bei der durch die Pyrolyse freigesetzten Energie handelt es sich also im Grunde um Solarenergie, die biologisch zwischengespeichert war. Es wird bei der Pyrolyse allerdings nur ein Drittel dieser biologischen Energie freigesetzt, denn der restliche Anteil der Energie bleibt in der entstehenden Biokohle gespeichert. Wird diese Biokohle in landwirtschaftliche Böden eingearbeitet, wird also nicht nur dauerhaft CO2 aus der Atmosphäre entzogen, sondern auch Energie in den Böden gespeichert.

Die Land- und Forstwirtschaft sind die einzigen Industriezweige, die gezielt Kohlendioxid aus der Atmosphäre entziehen können. Alle anderen Umwelttechnologien können höchstens den Kohlendioxidausstoß vermindern. Der Kampf gegen den Klimawandel aber entscheidet sich daran, ob es gelingt, die Arbeit der Pflanzen und die Arbeit der Ökosysteme nachhaltig in die Klimastrategie einzubinden.

Biokohle verbessert die Böden

Biochar-webDie bei der Biomasse-Pyrolyse entstehende Biokohle ist nicht nur aus klimapolitischen Erwägungen von höchstem Interesse. In Verbindung mit Kompost entsteht aus Biokohle einer der wertvollsten Bodenverbesserer, den die Geschichte der Landwirtschaft kennt. Die Biokohle, deren spezifische Oberfläche rund 150 m2 pro Gramm beträgt, wirkt wie ein Schwamm, der Wasser und Nährstoffe aufsaugt und diese, je nach Bedarf, wieder an die Pflanzen abgibt. Durch den Eintrag von Biokohle in landwirtschaftlich genutzte Böden lassen sich somit äußerst positive Auswirkungen auf die Bodenaktivität, Bodengesundheit und Ertragskapazität erzielen (siehe hier).

Die vielfältigen Auswirkungen der Biokohle auf das gesamte Bodensystem konnten sowohl im Labor als auch in der landwirtschaftlichen Praxis nachgewiesen werden. Aufgrund der hochkomplexen Interaktion der Biokohle mit dem gesamten Netzwerk des Bodenlebens herrscht allerdings noch keine wissenschaftlich abschließende Klarheit über die tatsächliche Funktionsweise.

Konkreter Einsatz

In den Weinbergen des Delinat-Instituts wurde im Jahre 2007 ein großflächiger Landwirtschaftsversuch zum Einsatz von Biokohle angelegt. Auf einer Parzelle von 3000m2 wurden die Auswirkungen von Biokohle-Kompost Mischungen mit Varianten aus reinem Kompost, aus Gründüngung und unbehandelten Kontrollflächen verglichen. Auch wenn der Versuch über mehrere Jahre angelegt ist und es für eine abschließende Auswertung noch zu früh ist, konnte bereits gezeigt werden, dass die Wasserverfügbarkeit in Trockenperioden deutlich stieg und im Vergleich zur reinen Kompostvariante ein Ertragszuwachs von über 20% zu verzeichnen war (siehe hier).

Je nach angebauter Kultur werden zwischen 10 und 120 t fein gemahlener Biokohle pro Hektar oberflächlich in den Boden eingetragen. Die Vermischung mit Kompost sorgt für die Aufladung der Biokohle mit Nährstoffen. Wird die Biokohle während der Kompostierung in einem Verhältnis von 1:10 beigegeben, führt dies nicht nur zu einer besonders effektiven Nährstoffaufnahme, sondern auch zur Zunahme von Mikroorganismen und zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen bei der Kompostierung. Bei zahlreichen Topf- und auch Freilandversuchen konnten bei Kulturen wie Gerste, Weizen, Mais, Tomaten, Kürbis, Maniok teils erhebliche Wachstums- und Qualitätszunahmen beobachtet werden. (Quellen hier )

Die hochporöse Struktur der Biokohle unter dem Elektronenmikroskop

Biokohle Produktion – die Schweiz als Vorreiter

Bei der traditionellen Pyrolyse, wie sie 2500 Jahre lang in sogenannten Kohlemeilern praktiziert wurde, entweichen sämtliche Abgase in die Atmosphäre, wobei es sich zum Teil um stark umweltschädigende Emissionen handelt. Bei der industriellen Holzverkohlung konnten die Emissionswerte und auch die Teerbelastungen der Holzkohle zwar mittlerweile deutlich gesenkt werden, doch lässt sich für diese Anlagen nur getrocknetes Holz einsetzen, was natürlich an sich schon ein sehr wertvoller Rohstoff ist. Das weltweit zur Zeit einzige Verfahren, das aus beliebigen Biomassen wie Trester, Küchenabfällen, Viehmist, Klärschlamm und sogar Plastik hochwertige Biokohle herstellen kann und dabei die Emissionswerte selbst von Holzfeuerungsanlagen deutlich unterschreitet, ist das von Helmut Gerber entwickelte Pyreg-Verfahren (siehe hier). Nach 5-jähriger Entwicklungszeit und zwei Pilotanlagen konnte am Freitag, den 16. April 2010, die erste industriell einsetzbare Pyrolyseanlage in Belmont-sur-Lausanne in Betrieb genommen werden.

Für den Erwerb und den Betrieb dieser ersten tatsächlich klimapositiven Anlage zur Herstellung von Biokohle hat das Delinat-Institut mehrere private Investoren zusammen bringen können, welche die Firma Swiss-Biochar als Betreibergesellschaft gründeten. Diese erste Biokohleanlage hat eine Jahreskapazität von 380 t Biokohle, wobei zusätzlich rund 1200 MWh Wärme erzeugt werden.

Forschung

Dank der engen Zusammenarbeit des Delinat-Instituts mit Swiss-Biochar steht der größte Teil der Biokohleproduktion dieser ersten Anlage für Forschungsprojekte in ganz Europa zur Verfügung. Auf diese Weise können in den nächsten 3 Jahren in verschiedenen Klimazonen auf ganz verschiedenen Böden und bei einer Vielzahl von Kulturen Biokohleversuche auf über 100 Hektar durchgeführt werden. In einem Verbund von rund 20 europäischen Institutionen und Universitäten werden so die agronomischen Auswirkungen und Einsatzmöglichkeiten von Biokohle umfassend untersucht. Dank dieser fachübergreifenden Zusammenarbeit sollen in den kommenden Jahren alle wesentlichen technischen, chemischen, biologischen, landwirtschaftlichen und klimapolitischen Aspekte der Biokohlenutzung erforscht und für die praktische Anwendung nutzbar gemacht werden. (siehe hier).

Die höchste wissenschaftliche Priorität hat derzeit die umfassende Charakterisierung von Biokohle sowie deren Herstellungsbedingungen, um klar und unmissverständlich zu definieren, was Biokohle ist und was nicht. Holzkohle beispielsweise, wie sie im Handel als Grillkohle erhältlich ist, sollte unter keinen Umständen in den Boden eingearbeitet werden, die Verunreinigung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), Schwermetallen und chemischen Fixierungsmitteln würde diese zur Gefahr für die mikrobiologische Stabilität des Bodensystems machen.

Wenn Biokohle nicht unter kontrollieren Bedingungen und aus kontrollierten Ausgangsmaterialien hergestellt wird, kann es zu erheblichen ökotoxikologischen Belastungen der Kohle und klimaschädlichen Auswirkungen kommen. Es müssen jetzt rasch die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit nur zertifizierte, ökologisch wertvolle Biokohle in landwirtschaftlichen Böden eingesetzt wird. Für die mit Pyreg-Anlagen hergestellte Biokohle, wie die von Swiss-Biochar, liegen bereits umfassende Analysedaten vor, die in den nächsten Monaten gemeinsam mit der Universität Zürich und der Universität Bayreuth vervollständigt werden, um die Zertifizierungsbedingungen für Biokohle auf fundierter wissenschaftlicher Basis zu erstellen und einen wirklich nachhaltigen Einsatz der Biokohle sicher zu stellen.

Nächste Schritte, weitere Produktionsstandorte

Sechs weitere Pyreg-Anlagen sollen noch in diesem Jahr in der Schweiz errichtet werden. In den kommenden fünf Jahren soll ein gesamtschweizerisches Netzwerk von Biokohleproduzenten entstehen. Standorte sind Kompostwerke, Stadtgärtnereien, Bauernhöfe, Gemeinden, Klärwerke und Abfallentsorger. Da die Biokohle nicht nur in der Landwirtschaft Verwendung findet, sondern auch als Reduktionsmittel in der Metallurgie, als Filterstoff für die Abwasserreinigung, als Nährstoffspeicher für die Gülleentsorgung sowie als Brennstoff eingesetzt werden kann, wird sich rund um die Biokohle ein dynamisch wachsender Markt entwickeln. Und all dies im steten Bewusstsein, dass der Atmosphäre mit jedem Kilogramm Biokohle  3,6 kg CO2 entzogen wurden.

Kleingärtner, die sich an den Biokohleversuch beteiligen wollen,

können sich hier informieren und Kontakt mit dem Delinat-Institut aufnehmen

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