Wie Pflanzen kommunizieren
von Frantisek Baluska & Daniel Bach
Herr Baluska, Sie sind Mitbegründer der Gesellschaft für Pflanzenneurobiologie. Das tönt, als hätten Blumen und Lauchstängel auch Nervenstränge...
Wir unterscheiden zwischen Nerven und Neuronen. Von Nerven sprechen wir bei Tieren und Menschen, der Begriff Neuronen hat breitere Gültigkeit - er bezieht sich auch auf die Fähigkeit von pflanzlichen Zellen, Informationen aus ihrer Umgebung über Sensoren aufzunehmen, zu transportieren, zu speichern, zu verarbeiten und daraus zu lernen. Dies dient der Pflanze, so wie jedem anderen Lebewesen, dazu, sich optimal an die Umgebung anzupassen.
Läuft dieser Informationsfluss in der Pflanze über elektrische Signale oder mittels chemischer Botschaften?
Beides. Auf einen Reiz folgen erst elektrische Signale dann chemische, beide sind auch Teil der komplexen Wahrnehmung der Pflanze. Das Problem ist allerdings, dass dieser Bereich noch kaum erforscht ist. Bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts war es ein ernsthaftes wissenschaftliches Feld, dann kam es etwas in Verruf wegen eines Buches über paranormale Phänomene. Dabei weiss man ganz genau, dass Pflanzen sofort auf jede Art von Stress wie Kälte, grelles Licht oder Verwundungen mit elektrischen und chemischen Signalen reagieren. Die elektrische und die chemische Kommunikation sind vernetzt. Wie genau, ist leider noch unbekannt.
Wodurch wird eine Pflanze derart unter Stress gesetzt?
Licht, Trockenheit, Kälte, Wind, Parasiten .... Alles, was auf sie einwirkt.
Wie nehmen denn die Pflanzen ihre Umgebung überhaupt wahr?
Pflanzen haben in Sachen Wahrnehmung enorme Fähigkeiten. Sie sind oft sogar empfindlicher als viele Tiere und Menschen. Jede noch so kleine Berührung löst erst elektrische und dann chemische Reaktionen aus. Jede Änderung des Zustands wird sofort registriert. Sie sehen, hören und spüren mit Zellen ihres Körpers. Sie haben zum Beispiel viele Rezeptoren für Licht. Es gibt Pflanzen, die mühelos Sonnenstrahlen von reflektiertem Licht unterscheiden können. Besonders berührungsempfindlich sind die Wurzeln. Sie reagieren auf Berührungen, die 100 bis 1000 Mal kleiner sind als solche, die ein Mensch oder Tier wahrnimmt.
Stichwort Wurzeln: es gibt ja solche, die zielstrebig auf Mineralien zuwachsen.
Ja, sie scheinen schon aus der Ferne zu spüren, wo die Quellen oder Nährstoffe oder wo stressreiche Regionen sind. Es gibt solche, die salzhaltige Gebiete grossräumig umwachsen. Aber fragen Sie mich nicht, wie sie das spüren können. Das weiss man noch nicht.
Zurück zur Kommunikation: Wann wählen die Pflanzen die elektrische Sprache, wann die chemische?
Innerhalb einer Pflanze erfolgt die Kommunikation auf beide Arten, von Pflanze zu Pflanze eher über Duftstoffe. In der pflanzeninternen Kommunikation spielen die klassischen pflanzlichen Hormone und verschiedene Signalmoleküle eine wichtige Rolle.
Wozu dient denn die Kommunikation zwischen den Pflanzen? Warnen Sie einander vor Feinden oder informieren sie sich über Veränderungen in ihrer Umgebung?
Leider wissen wir noch sehr wenig. Aber es ist bekannt, dass sich Pflanzen mittels chemischer Kommunikation besser vor Angreifern schützen können. Genau diese Fragen möchten wir wir durch unsere Forschungen im Bereich der pflanzlichen Neurobiologie klären.
Die Pflanzen kommunizieren ja nicht nur untereinander, sondern auch mit Tieren. Sie locken mit Hilfe von Duftstoffen die Feinde ihrer Feinde an. Der Mais ruft zum Beispiel eine Nutzwespe zu Hilfe, die Eier in Raupen legt, welche ihn bedrohen. Was bieten sie ihren Verbündeten denn als Lohn an?
Sie produzieren zum Beispiel Früchte, die Tiere, aber auch Menschen essen können. Das dient dazu, die Samen zu verbreiten. Das Nahrungsangebot spielt beim Anlocken generell eine wichtige Rolle. Manchmal täuschen die Pflanzen den Lohn aber auch nur vor. Es gibt eine Orchidee, die Formen, Farben und Düfte produziert, welche die Insektenmännchen glauben lassen, sie hätten ein Weibchen vor sich. Mit den Kopulationsversuchen tragen die Männchen zur Bestäubung der Orchidee bei. Das ist ziemlich raffiniert.
Die chemische Kommunikation mit anderen Pflanzen und Tieren kostet die Pflanze ziemlich viel Energie, welche ihr fürs Wachstum fehlt. Warum nimmt sie dies auf sich?
Auch da tappen wir noch ziemlich im Dunkeln. Aber die Antwort ist wahrscheinlich einfach: Jeder lebende Organismus muss kommunizieren, um zu überleben. Nur wer Informationen über Veränderungen aufnimmt und schnell daraus lernt, kann richtig darauf reagieren und überleben. Pflanzen stehen dauernd unter Stress, weil sie sich nicht bewegen und damit auch nicht fliehen können. Der Informationsfluss und die kommunikative Vernetzung dienen dazu, diesen Stress zu bewältigen. Aus jedem Stress kann man lernen.
Die Pflanzen könnten ihre Feinde ja auch direkt mit ihren Duftstoffen in die Flucht schlagen. Warum wählen sie die aufwändigere Strategie?
Sie sind tatsächlich in der Lage, toxische Stoffe zu produzieren, mit denen sie ihre Feinde sogar töten können. Aber sie wollen das offenbar nicht. Mann könnte spekulieren, dass sie irgendwie spüren oder wissen, dass sie uns, also Menschen und Tiere, auch brauchen. Aber was genau in ihnen vorgeht, wissen wir nicht. Und auch nicht, ob Pflanzen Schmerzen empfinden. Das ist lange kategorisch ausgeschlossen worden, weil man es nicht beweisen kann. Dabei kann man es genau so wenig ausschliessen. Die Wissenschaft hat leider die Tendenz, Dinge zu verneinen, über die noch zu wenig Wissen existiert.
Welchen Einfluss hat die biologische Vielfalt in der Umgebung und die Gesundheit des Bodens auf die Pflanzenkommunikation? Anders gefragt: Herrscht in der Monokultur Funkstille?
Auch darüber wissen wir noch wenig. Und auch das möchten wir herausfinden.
Das gilt wohl auch für die Frage, welchen Einfluss negative Umweltfaktoren wie Smog, Dürre wegen des Klimawandels, usw. auf die Kommunikationsfähigkeit der Pflanzen haben...
Auch hierauf bleibt mir nur dieselbe Antwort
Halten wir dennoch fest: Pflanzen können mit ihrer Umgebung interagieren und Strategien für ihr Überleben entwickeln. Sie planen die Zukunft. Kann man also von Intelligenz sprechen?
Das hängt davon ab, was man unter Intelligenz versteht. Wir Menschen definieren den Begriff im Bezug auf unsere Fähigkeiten. Über eine solche „menschliche" Intelligenz verfügen Pflanzen natürlich nicht, aber sie haben eine eigene Form von Intelligenz. Sie lösen andere Probleme auf andere Weise, aber sie lösen sie sehr geschickt. Indem sie Dinge wahrnehmen, daraus lernen und sich optimal anpassen.
Wagen Sie einmal eine Prognose: Was werden Sie und ihre Kollegen in den nächsten Jahren noch über die Sinnesleistungen der Pflanzen herausfinden? Und über deren Kommunikation?
Das ist schwierig zu sagen. Man kann auf diesem Gebiet noch nicht frei forschen, und man bekommt auch kein Geld dafür. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis diese Fachrichtung anerkannt ist und grössere Fortschritte möglich werden.
Eine nicht ganz ernst gemeinte Frage zum Schluss: Meine Mutter sagt immer, man müsse den Pflanzen mit dem Wegwerfen drohen, wenn sie nicht wachsen. Das habe bei ihr immer funktioniert, die Pflanzen seien plötzlich wieder gewachsen...
(lacht). Möglich ist alles. Ich schliesse nichts aus, so lange nicht das Gegenteil bewiesen ist.
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