Biokohle im Weinbau
von Claudio Niggli & Hans-Peter Schmidt
Biokohle gehört zu den ältesten Bodenverbesserern in der Geschichte des Landbaus. Das bekannteste Beispiel ist sicher Amazonien, wo sich bis vor 500 Jahren eine hoch entwickelte Zivilisation von mehreren Millionen Menschen nur dank des durchdachten Einsatzes von Biokohle hatte ernähren können. Doch auch in den meisten anderen Ländern mit kleinbäuerlicher Tradition wusste man um die wertvollen Eigenschaften dieses Stoffes. Sowohl aus Europa, als auch aus Südasien, Afrika und Südamerika liegen Zeugnisse für die Verwendung von Biokohle im Garten- und Ackerbau vor.
In Europa ging durch die Erfindung synthetischer Düngemittel viel Wissen um traditionelle Bodenverbesserer verloren. Auch als Brennstoff kam Holzkohle kaum noch zum Einsatz. Doch in vielen Ländern der Dritten Welt ging das Wissen um Biokohle nie ganz verloren. So kommt es, dass in Kamerun, Ghana, Bolivien, Belize, Indonesien, Indien und China schon seit Jahrzehnten großflächige Langzeitversuche über den Einsatz von Biokohle durchgeführt werden [Lehmann, 2009; siehe auch CNN-Bericht]. In Europa aber ist der 2008 begonnene Versuch am Delinat-Institut nicht nur der erste, sondern noch immer der größte Freilandversuch. Dies wird sich ab diesem Jahr ändern, da die 500 t Biokohle, die mit der Pyrolyse-Anlage von Swiss Biochar 2010 produziert werden, quer durch Europa auf Versuchsflächen von über 10 Hektar zum Einsatz kommen werden.
Anlage des Versuches auf Mythopia

Da 2007/2008 noch keine Biokohle auf dem Markt verfügbar war, wurden 1000 kg Holzkohlenstaub aus Deutschland importiert. Während Biokohle aus sämtlichen organischen Materialien hergestellt wird, ist das Ausgangsmaterial von Holzkohle auf Holz beschränkt. Jede Holzkohle ist also auch Biokohle, von der Struktur des Kohlenstoffes her sind beide gleich. Bedeutsamer als das Ausgangsmaterial sind die Pyrolysetemperatur und der Sauerstoffgehalt in der Schwelkammer. Beide Parameter konnten leider nicht Erfahrung gebracht werden, so dass uns zur Charakterisierung nur die Laboranalyse und die Elektronenmikroskopie blieben. Neben den Feldversuchen wurden daher mit den gleichen Substraten auch umfassende Topfversuche durchgeführt.
Die Größe der Biokohlestücken war zu 70% kleiner als 2mm, der restliche Anteil max. 15 mm lang. Die Gesamtmenge der 1000 kg Biokohle wurde mit 8 m3 Kompost [La Coulette] vermischt. Das Biokohle-Kompost (BK) Gemisch wurde gleichmäßig im Weinberg ausgebracht. Im Unterstockbereich blieb das BK-Gemisch an der Bodenoberfläche, in der Fahrgasse wurde es oberflächlich in den Boden eingearbeitet. Zusätzlich zu dem Substrat wurde eine Gründüngungssaat mit hohem Leguminoseanteil ausgebracht. Die Leguminosen dient einerseits als Gründünger und Bodenstimulant und andererseits als Verstärker für die bessere Analyse der Nährstoffbilanzen.
Die gesamte Versuchsfläche von 3000 m2 wurde in mehrere Flächen unterteilt, so dass die folgenden Varianten jeweils mit Wiederholungen angelegt wurden:
- Holzkohle-Kompost Gemisch mit Leguminosesaat
- Kompost mit Leguminosesaat
- Leguminosesaat ohne Kompost und ohne Biokohle
- Kontrolle ohne Leguminose und ohne Kompost, wo sich eine Spontanbegrünung ergab.
Resultate
1. WachstumBereits ab dem ersten Jahr konnte in den Kohle-Kompostflächen eine signifikante Steigerung der Stickstoffaufnahme durch die Reben gezeigt werden. Da die Leguminosen in dem stark erodierten, humusarmen, stein-staubigen Boden zunächst noch keine hinreichenden Symbiosen mit Bodenorganismen ausbilden konnten, entzogen sie dem Boden verhältnismäßig viele Nährstoffe, was sich bei den Varianten ohne Biokohle in einer Wachstumverminderung der Rebe zeigte.
In den Flächen mit Biokohle kam es offenbar zu einer schnelleren Herausbildung der Symbiosen mit Bodenorganismen und damit zu einer besseren Nährstoffverfügbarkeit. Die verbesserte Nährstoffverfügbarkeit wiederum führte zu einem ausgeglichenerem Rebwachstum, was sich nicht nur in dem höheren Blattstickstoffgehalt zeigte, sondern vor allem darin, dass sich einzig die Biokohle-Variante im Idealbereich für Pinot Noir (450-490) befand. Im Weinberg übrigens waren die Wachstumsunterschiede selbst für Laien deutlich erkennbar.
Die Wuchskraft ist im ersten Jahr nach der Aussaat in den nur begrünten Flächen signifikant niedriger als die Kontrolle. Dieser Effekt lässt sich zumindest teilweise durch die Zugabe von Kompost und Biokohle kompensieren (kein signifikanter Unterschied zwischen (control und leg/co/ch).


2. Aminosäuren in den Trauben deutlich höher
Die Zugabe von Biokohle hat bei den untersuchten Reben zu einem bis zu 300% höherem Gehalt an Aminosäuren in den Trauben geführt. Aminosäuren stellen neben Kohlehydraten die wichtigste Nahrungsquelle für Hefen bei der Vergärung dar.
Zudem ist der hohe Gehalt an Aminosäuren ein Anzeichen dafür, dass sowohl die Trauben als auch die Pflanzen überhaupt widerstandsfähiger gegen Parasiten sind. Denn die in den Aminosäuren gespeicherten Nährstoffe sind für Parasiten viel schwerer herauszulösen, als aus dem einfacher gebauten Ammonium.
In Abb. 3 ist insbesondere der Vergleich zur Kontrollfläche bemerkenswert. Die Hauptdifferenz der Varianten ist hier offenbar auf die Leguminose und nicht auf die Biokohle zurückzuführen. Ermittelt wurden die Werte jeweils aus der Maische von 300 einzelnen Beeren. Für statistisch gesicherte Erkenntnisse waren die Messreihen allerdings nicht umfassend genug.

3. Verbesserung der Phenolischen Reife
Zu den löslichen Polyphenolen gehören sowohl die Tannine als auch die Anthocyane. Polyphenole sind antioxidativ und können deshalb im menschlichen Körper eine positive Wirkung entfalten. Die Tannine sind eine wichtige Geschmackskomponente im Wein und tragen zur Haltbarkeit bei. Neben dem Zuckergehalt (Oechsle-Grad) von Trauben ist vor allem die sogenannte phenolische Reife von Bedeutung bei der Beurteilung der Traubenqualität.
Der um 10% höhere Polyphenolgehalt in der Biokohle-Variante könnte neben dem deutlich höheren Gehalt an Aminosäuren ein Ausdruck für eine höhere aromatische Qualität der Trauben und damit des Weines sein. Eine statistisch gesicherte Schlussfolgerung ist mit dieser Messreihe allerdings noch nicht möglich.

Resüme
Der Versuch hat auf einem besonderen Boden unter besonderen Bedingungen stattgefunden und die erhobenen Messwerte sind nur ein Ausschnitt aus einem großen Spektrum wichtiger Kenndaten. Einen wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit der Biokohle im Weinbau stellen sie noch nicht dar. Die Tendenz eines positiven Einfluss der Biokohle zeigt sich gleichwohl relativ deutlich zumindest in einigen der durchgeführten Messreihen. Die Resultate unterstützen einige zentrale Hyphothesen auf dem Feld der Biokohle-Forschung und sind eine Aufforderung, die Anstrengungen zur Erforschung der Biokohle und ihrer Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Bodensysteme zu intensivieren.
Wir haben in den ersten beiden Jahren des Feldversuches Indizien für die Fortsetzung und Ausweitung der Untersuchungen erhalten. Durch die gewonnenen Messwerte und Beobachtungen können wir im kommenden Jahr mit besseren und umfassenderen Mitteln den Fokus der Untersuchungen neu ausrichten, um genauere und besser verwertbare Resultate zu erhalten.
Im Februar werden wir die Resultate der parallel durchgeführen Laborversuche der Universität Zürich veröffentlichen. Auch hier wurden hinsichtlich Wasserspeichervermögen, Nährstoffassimilation und Wuchskraft höchst bemerkenswerte Erkenntnisse gewonnen.
Das Jahr 2010 wird für die Biokohleforschung ein Schlüsseljahr. Die Flächen für Feldversuche werden um das 500fache zunehmen. In ganz Europa werden Biokohle-Kompost-Substrate in verschiedenste landwirtschaftliche Nutzflächen eingearbeitet und deren Auswirkungen wissenschaftlich ausgewertet. Zudem haben sich Spezialisten von über 10 Universitäten und Instituten zu einem Netzwerk verbunden, um dazu beizutragen, die letzten entscheidenden Wissenlücken auf diesem Gebiet zu schließen.
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Literatur:
Lehmann, Johannes und Joseph, Stephen (Hrsg.) Biochar for Environmental Management: science and technology, Earthscan, 2009
Bruges, James The Biochar Debate - charcoal's potential to reverse climate change and build soil fertility, Bristol, 2009
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