Güllebehandlung durch Pflanzenkohle
von Hans-Peter Schmidt
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Im Frühjahr und Herbst, wenn Bauern ihre Felder mit Gülle tränken, liegt ein beißender Gestank über dem Land. Der stechende Geruch stammt vor allem vom Ammoniak, einer leicht flüchtigen Stickstoffverbindung, die aus dem in der Gülle enthaltenen Harnstoff gebildet wird. Das Ammoniak, welches auf Bodenorganismen und Feinwurzeln ätzend wirkt, entweicht zu großen Teilen in die Atmosphäre, wo es sich an Staubpartikel bindet und schließlich in Form von saurem Regen wieder auf Felder, Wälder, Städte und Gewässer niedergeht und dadurch hohe Umweltschäden verursacht.
Während ein Teil der in der Gülle enthaltenen Mineralstoffe wie Ammonium, Nitrat, Harnstoff und Phosphat den Pflanzen als Nährstoffe zur Verfügung stehen, wird neben den klimaschädlichen Ausgasungen ein erheblicher Teil der Nährstoffe in Grund- und Oberflächengewässer ausgewaschen. Insgesamt gehen durch Ausgasung, Auswaschung und Erosion auf dem Weg vom Stall über die Güllegrube bis zum Boden rund 50% des Stickstoffs verloren, was nicht nur für eine sehr geringe Düngeeffizienz spricht, sondern hohe Folgekosten durch Umweltschäden verursacht. So kommt es allein in Deutschland zu landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen von über 600 000 Tonnen pro Jahr.
Aufgrund der Ausgasung von Ammoniak und des Auswaschens von Nitraten kommt es durch die Düngung mit unbehandelter Gülle zudem zu Bodenversauerung, was die Fruchtbarkeit und biologische Aktivität des Bodens stark beeinträchtigt und den Abbau von Humus beschleunigt.
Noch gefährlicher als die Bodenversauerung ist allerdings, dass durch nicht hygienisierte Gülle Krankheitserreger sowohl aus dem Verdauungstrakt der Tiere als auch von den in der faulenden Güllegrube herangezüchteten Bakterienstämmen und Pilzsporen auf die Felder ausgebracht werden. Zwar werden die meisten krankheitserregenden Mikroorganismen durch Antagonisten im Boden vernichtet bzw. abgebaut, doch einige hochresistente Bakterienstämme, Pilzsporen und sonstige Krankheitserreger wie z.B. Clostridien (Ehec, Botulismus …) überleben den gesamten Wachstumszyklus der Pflanzen und können über das von diesen Feldern eingebrachte Futter wieder von den Tieren aufgenommen werden. Auf diese Weise schließt sich ein teuflischer Kreislauf, der nach und nach immer resistentere Krankheitserreger heranzüchtet und die Gesundheit von Tier und Mensch gefährden kann.

Was stinkt in der Gülle?
Der überwiegende Anteil des Stickstoffs in der Gülle liegt in Form von Harnstoff vor. Durch die Aktivität des Enzyms Urease wird Harnstoff in Ammoniak und CO2 (bzw. zu Ammonium + CO3) umgewandelt. Das Enzym Urease befindet sich sowohl im Tiermagen als auch in der Güllegrube und im Boden, so dass der Abbauprozess des Harnstoffs quasi kontinuierlich ablaufen kann. Während im Boden die Umwandlung in den wichtigen Pflanzennährstoff Ammonium erwünscht ist und überhaupt erst die Düngewirkung ermöglicht, bedeutet die Umwandlung in der Güllegrube den Verlust des Stickstoffs und nicht zuletzt den beißenden Gestank.
Güllebehandlung durch Milchsäuregärung
Um Gülle zu hygienisieren sowie die Nährstoffe zu stabilisieren und dadurch auch die Geruchsentwicklung zu verhindern, müssen
- die flüchtigen Nährstoffe gebunden,
- das Enzyme Urease gehemmt und
- die Vermehrung krankheitserregender Mikroorganismen verhindert werden.
Zur Stabilisierung des Harnstoffes in der Gülle und zur Verhinderung von Fäulnis eignet sich insbesondere die Milchsäuregärung, ein im Grunde sehr altes Konservierungsverfahren. Bei der Milchsäuregärung werden Zuckverbindungen, wie sie in allen pflanzlichen Stoffen und in geringeren Konzentrationen auch in der Gülle vorkommen, durch Milchsäurebakterien in Milchsäure umgewandelt. Die Umwandlung zu Milchsäure führt zur Absenkung des pH-Werts auf 3,5 – 4,5. Es entsteht ein stark saures Milieu, das den meisten Bakterienarten, Sporenbildnern und Enzymen die Überlebensbedingungen entzieht.
Die Verhinderung von Fäulnis und Ausgasung ist allerdings nicht allein eine Frage der Säure, denn sonst könnte man jede beliebige Säure zur Absenkung des pH-Wertes verwenden. Es ist von großer Wichtigkeit, dass das saure Milieu durch Milchsäurebakterien entsteht, da auf diese Weise die in der Gülle verbliebenen Zuckerverbindungen abgebaut werden, wodurch konkurrierenden Fäulnisbakterien die Nahrungsgrundlage entzogen wird und sie sich nicht mehr vermehren können.
Hinzu kommt, dass in den Zellen der sich rasant vermehrenden Milchsäurebakterien wertvolle Zellbausteine wie Stickstoff, Phosphor, Schwefel und Kohlenstoff eingelagert werden. Stickstoff, Phosphor und Schwefel, die im Zellgewebe von Milchsäurebakterien gespeichert werden, sind biologisch gebunden und damit eben nicht mehr flüchtig. Konkurrierenden Mikroben werden damit alle wichtigen Nährstoffe verknappt und es entsteht ein für sie ungünstiges, saures Milieu.
Wenn die Milchsäurebakterien später mit der stabilisierten Gülle auf den landwirtschaftlichen Boden kommen, werden ihnen durch Luftsauerstoff und höhere pH-Werte des Boden dann ihrerseits die Überlebensbedingungen entzogen, wodurch die in ihren Zellen gespeicherten Nährstoffe von anderen Mikroben rezykliert und pflanzenverfügbar werden. Ein dann wirklich biologisch aktivierender Dünger.
Historische Bedeutung der Milchsäuregärung
Milchsäuregärungen wurden bereits in der Steinzeit zur Konservierung von Lebensmitteln verwendet und waren Vorraussetzung dafür, das eine Vorratswirtschaft entstehen konnte, was wiederum Vorraussetzung für die Bildung sesshafter Gesellschaften war. Man nutzte die Milchsäuregärung zur Herstellung von Sauerkraut, Sauerteigbrot, Joghurt, Wurst, Wein und auch für Futtersilage. Zur Güllefermentierung wurde die Milchsäuregärung allerdings kaum eingesetzt, da in traditionellen Stallanlagen keine Nassgülle entstand und der Festmist besser kompostiert als fermentiert wird.
Rezept zur Güllebehandlung mit Sauerkrautsaft und Pflanzenkohle
Um sich der Milchsäuregärung zur „Konservierung“ von Gülle zu bedienen, muss die Güllegrube als erstes mit einer ausreichenden Anzahl von Milchsäurebakterien geimpft werden. Die Milchsäurebakterien müssen dann so vermehrt werden, dass der pH-Wert auf unter 4,5 sinkt. Folgendes Vorgehen hat sich in der Praxis bewährt:
- Ausleeren der Güllegrube, so dass nicht mehr als 25 cm Bodensatz übrig bleiben
- Die in der Grube verbleibende Restgülle mit 0,2 – 0,5 % Sauerkrautsaft animpfen
- Zur Vermehrung der Milchsäurebakterien 1 % Melasse hinzugeben
- Zur Fixierung von Nähr- und Giftstoffen 2 % Pflanzenkohle einmischen
(auf 50 m3 Restgülle entspricht dies 100 – 250 l Sauerkrautsaft, 500 Liter Melasse und 1 m3 Pflanzenkohle)
Sauerkrautsaft enthält eine sehr hohe Anzahl von Milchsäurebakterien und eignet sich hervorragend zum Animpfen. Anstatt Sauerkrautsaft kann aber auch Brottrunk, Silagesaft oder EM-A (effektive Mikroorganismen) verwendet werden. Letzteres enthält auch noch andere den Prozess günstig beeinflussende Mikroorganismen. Sauerkrautsaft ist allerdings das mit Abstand billigste Mittel und von der Qualität her als sehr sicher einzustufen. Heutzutage werden Millionen Liter Sauerkrautsaft kostenpflichtig von Kläranlagen entsorgt. Der agronomische Einsatz von Sauerkrautsaft wäre also zudem auch ein gutes Beispiel für die Schließung wichtiger Stoffkreisläufe.
Die Melasse wird benötigt, damit sich die im Sauerkrautsaft enthaltenen Milchsäurebakterien tausendfach vermehren können und somit das mikrobielle Milieu der Gülle optimal einstellen. Wenn die Güllegrube zu voll ist, gelingt es nicht, das mikrobielle Milieu von Fäulnis auf Milchsäuregärung umzustellen, da andere mikrobielle Stämme zu dominant sind und die Milchsäurebakterien sich trotz Melasse nicht durchsetzen können. Es ist daher unbedingt nötig, die Grube vor der Initierung der Milchsäuregärung möglichst leer zu pumpen.
Sobald der pH-Wert der Gülle durch die Milchsäuregärung unter 4,5 sinkt, wird die Umwandlung von Harnstoff zu Ammoniak unterbunden. Fäulnisbakterien werden unterdrück. Die Gülle hört auf zu stinken, die Nährstoffe bleiben erhalten und werden fixiert.
Wirkung der Pflanzenkohle
Pflanzenkohle bindet durch ihre hohe spezifische Oberfläche sehr effizient Ammonium und Ammoniak sowie andere geruchsintensive, oft toxische Stoffe. Aus diesem Grund zeigt der Einsatz von Pflanzenkohle auch ohne Milchsäuregärung bereits eine rasche Wirkung. Durch die Pflanzenkohle kann der überwiegende Teil des Güllestickstoffs pflanzenverfügbar gespeichert werden. Die Auswaschung der Gülle-Nährstoffe im Boden wird deutlich gebremst, was nicht nur das Grundwasser schützt, sondern insbesondere der Versauerung des Bodens vorbeugt. Die mit Pflanzenkohle behandelte Gülle fördert die Bodenaktivität und den Humusaufbau. Anstatt die Böden durch toxisch wirkende Gülle auszulaugen, werden die Böden langfristig aufgebaut. Insgesamt lässt sich durch den Einsatz der Pflanzenkohle die Düngewirkung der Gülle nahezu verdoppeln.
Auch wenn bereits die alleinige Behandlung der Gülle mit Pflanzenkohle deutliche Wirkung zeigt, empfiehlt sich die oben beschriebene Kombination mit der Milchsäuregärung, da nur durch die Milchsäuregärung eine Hygienisierung der Gülle erfolgt und krankheitserregende Keime abgetötet werden.
Güllebehandlung über das Jahr
Um das mikrobielle Milieu in der Güllegrube zu erhalten, muss die täglich hinzukommende Gülle jeweils mit Milchsäurebakterien geimpft werden. Dies kann dadurch geschehen, dass ca. 0,1 % bezogen auf die Menge der täglichen Frischgülle an Sauerkrautsaft und Pflanzenkohle in die Grube eingemischt werden. Am wirkungsvollsten ist es allerdings, wenn der Sauerkrautsaft durch automatische Verneblung direkt im Stall ausgebracht wird. Auf diese Weise wird bereits im Stall für ein gesundes mikrobielles Milieu gesorgt, was nicht nur der Gülle, sondern vor allem dem Vieh und den im Stall arbeitenden Menschen zu Gute kommt.
Bereits nach wenigen Tagen ändert sich das Stallklima. Es riecht nicht mehr unangenehm, das Vieh wird merklich ruhiger, entzündete Euter und Hufe schwellen ab. Die Verneblung im Stall kann vollautomatisch erfolgen, wobei aller 4 Stunden je 2 Liter Sauerkrautsaft pro 100 Großvieheinheiten im Stall vernebelt werden sollten.
Pflanzenkohle in Silage und Fütterung
Auch die Pflanzenkohle sollte so früh wie möglich im Stallbereich zum Einsatz kommen. So kann die Pflanzenkohle bereits zur Silierung von Futtermitteln in den Prozess eingeführt werden. Pflanzenkohle fördert eine saubere Milchsäuregärung der Silage und verhindert Fehlgärungen. Durch die Pflanzenkohle entstehen weniger Essigsäure und insbesondere weniger Buttersäure bei der Silierung, wodurch das Risiko von Clostridien-Befall reduziert wird. Die Gefährdung durch Pilzbefall der Silage und den damit zusammenhängenden Mycotoxinen geht zurück. Die Pflanzenkohle hat eine sehr hohe Wasserspeicherfähigkeit, was insbesondere bei ungenügender Anwelkdauer (z.B. durch schlecht Witterung) und zu geringen Trockenmasse-Konzentrationen eine gute Gärqualität gewährleistet und die Produktion von Buttersäure verhindert.
Insgesamt wird durch die Feuchtigkeitspufferung die Haltbarkeit verbessert. Dank der Pflanzenkohle kommt es kaum zur Bildung von Gärsäften, die wegen der Bildung von Buttersäure gefürchtet sind.
Die Pflanzenkohle fixiert Pestizide und Schwermetalle, die mit der Biomasse in die Silage gelangen und sowohl dort das Gärungsmilieu negativ beeinflussen als auch später zu toxischen Belastungen der Tiere führen. Im fertigen Silagefutter führt die Pflanzenkohle zur Verbesserung der Verdauung und höherer Energieumsätze aus der Nahrung.
Beim Einsatz von Pflanzenkohle in der Silierung darf nur Pflanzenkohle eingesetzt werden, die als Futterzusatzmittel registriert und von einem anerkannten Futtermittelhersteller produziert wurde. Pflanzen- und Holzkohle werden übrigens schon seit der frühen Eisenzeit als Futterzusatzmittel eingesetzt, um die Verdauung insbesondere von Wiederkäuern zu regulieren. Durch die Pflanzenkohle erhöht sich die Futtereffizienz, die Energieleistung der Tiere wächst, Giftstoffe werden gebunden, das mikrobielle Milieu im Verdauungstrakt stabilisiert sich. Als Futtermittel zertifizierte Pflanzenkohle kann mit 0,5% direkt dem Futter zugemischt werden. Um dem Risiko einer Blockierung essentieller Nährstoffe vorzubeugen, sollte die Fütterung von Pflanzenkohle aller 14 Tage für mindestens 5 Tage ausgesetzt werden.
Zusammenfassung
Der kombinierte Einsatz von Pflanzenkohle und Milchsäurebakterien führt zur Verbesserung der Tiergesundheit und ihrer Produktionsleistung, stabilisiert das Stallklima, hygienisiert den Stall und die Gülle, verhindert Nährstoffverluste und Klimagasemissionen und führt schließlich zu einer biologisch effizienten Düngung der landwirtschaftlichen Böden. Pflanzenkohle ist kein Wundermittel, aber in Ergänzung zur guten landwirtschaftlichen Praxis kann es die Prozesse nachhaltig optimieren, die Wirtschaftlichkeit der Betriebe erhöhen und die Umweltbilanz positiv gestalten.
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