Waldgärten, Lehmhäuser und Klima-Abo für Nepal

von Hans-Peter Schmidt

Mit einem monatlichen Klima-Abo von 27 Euro pro Person könnte Deutschland klimaneutral werden. Wie das möglich wäre, haben wir nach dem Erdbeben in Nepal mit der Anlage von Waldgärten zu demonstrieren begonnen. Auch haben wir in mehreren Dörfern erdbebensichere Rundhäuser mit lokalen Materialien und lokalen Arbeitern gebaut. Und wir haben Pflanzenkohle so mit Kuhurin aufgeladen und in die Wurzelzone verschiedenster Kulturpflanzen appliziert, dass wir mit Sicherheit behaupten können, über einen organischen Dünger zu verfügen, der in Nepal mehr Ertrag als die üblichen chemischen Dünger bringt. Ein Rückblick, Vorausblick und vor allem Dank an die Großzügigkeit der Freunde und Spender Ithakas.

Es ist kaum mehr als ein Jahr her, dass wir unsere Arbeit in den Dörfern von Nepal begonnen haben, doch das Land fühlt sich bereits wie eine zweite Heimat an. So vielfältig sind die Projekte und Engagements, die Dörfer und Menschen, mit denen wir arbeiten und lernen, und die Landschaften, in denen wir sanft mit Bäumen und fruchtbaren Gärten unsere Spuren hinterlassen. In wenigen Tagen fahren wir wieder für einige Monate nach Nepal, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen über die wichtigsten Entwicklungen des letzten Jahres zu berichten und zu zeigen, wie Ihre Spenden und Klimazertifikate für schnelle, unkomplizierte Nothilfe und langfristigen Nutzen eingesetzt wurden.

In den ersten zehn Tagen nach dem Erdbeben waren wir in unseren Partnerdörfern Dhungkharka (Kabre), Methinkot (Kabre), Naya Gaon (Kabre), Maina Pokhari (Dolakha), Nalang (Dhading) und Dhamilikuwa (Lanjung) die ersten, die den am stärksten vom Erdbeben betroffenen Bauernfamilien mit je 5000 NRP (ca. 50 Euro, ein Monatseinkommen) ein kleines Hoffnungszeichen brachten und zeigten, dass sie in ihrem Leiden nicht allein gelassen werden. Später kamen andere, große Organisationen und brachten mehr materielle Unterstützung, aber wir waren die ersten gewesen, weil wir im Voraus auf Ihre Hilfe, die Hilfe der Freunde Ithakas, bauen konnten. Wir hatten den Bauern die 5000 NRP allerdings nicht einfach als Spende gebracht, sondern als Vorauszahlung für CO2-Zertifikate, die die Bauern später durch die Herstellung und Verwendung von Pflanzenkohle einlösen sollten.

Erd-Kon-Tiki zur Herstellung von 1 m3 Pflanzenkohle aus Ernteresten der Umgebung. Gemischt mit Kuhurin genügt die Menge zur Düngung von 2500 m2 intensiver Gemüsekulturen. Herstellungsdauer der Pflanzenkohle, knapp 2 Stunden.

Auch wenn in der ersten Phase natürlich alle Bauernfamilien, die die Nothilfe erhielten, sich einverstanden erklärten, einen Kubikmeter Pflanzenkohle herzustellen und mit Kuhurin vermischt als organischen Dünger in ihren Feldern zu verwenden und damit den längst üblichen Chemiedünger zu ersetzen, so geriet das ursprüngliche Versprechen angesichts all der anderen Sorgen nach dem Erdbeben und der folgenden Regenzeit bei einigen in Vergessenheit. Es lag uns allerdings fern, hier irgendwelchen Druck auszuüben, sondern wir haben die Bauern nur gelegentlich an unsere Abmachung erinnert und zu motivieren versucht. Die Entscheidung über diese Chance für ihre Zukunft mussten sie allerdings selbst treffen. Und so erklärt es sich auch, dass in manchen Dörfern wie Dhunghkarka oder Nalang die weit überwiegende Mehrheit der Bauern inzwischen mit organischen Pflanzenkohle-Düngern ihre Gemüse und Getreide zu Höchsternten bringen und jede Familie ihren eigenen Kon-Tiki in Stallnähe stehen hat und den Urin der Kühe in extra dafür angelegten Gruben mit Pflanzenkohle auffängt (mehr zu der Methode finden Sie hier), während in manch anderem Dorf nur wenige Bauern sich die Mühe machen, die Ernten zu steigern und ihre Böden zu verbessern. Wir haben gelernt, nicht über die Leute zu urteilen, uns aber dort zu freuen, wo es gelingt, und unsere eigenen Lehren daraus zu ziehen.

Anlage eines Kartoffel-Feldversuches mit Pflanzenkohle, Kuhurin und Kompost. 

Erdbebensichere Rundhäuser

Dank ebenfalls Ihrer Spenden, konnten wir in sechs Dörfern für und mit 22 Bauernfamilien, deren Haus durch das Erdbeben eingestürzt oder unbewohnbar geworden war, neue, erdbebensichere Lehmhäuser aus fast vollständig lokalen, natürlichen Materialien bauen. Wir haben unsagbar viel in diesem Prozess gelernt, und zwar nicht nur, wie wunderschöne, in jedem Klima komfortabel zu bewohnende und vor allem sichere Rundhäuser zu bauen sind, sondern auch wie sich dies in den alles andere als einfachen sozialen Strukturen verschiedener Dörfer effizient verwirklichen lässt. Dass dies auch für uns ein Lernprozess war, bedeutet nicht zuletzt, dass die ersten Häuser nicht ganz von gleicher Qualität wie die letzten zehn Häuser sind. Ohne unsere Fehler wären wir nicht da, wo wir sind. Um die Bauqualität bis ins Detail und das Befolgen der Richtlinien sicherzustellen, mussten wir erst einige Tricks lernen und auch gelegentlich gewissen Zwang ausüben und minutiöse Kontrollen einführen, sonst drohte gerade an den statisch entscheidenden Verstrebungen, die am Ende ja niemand mehr sieht, an Mühe und Sorgfalt gespart zu werden. Mit jedem weiteren Haus in jedem neuen Dorf konnten wir uns schließlich besser und besser in Perfektion üben. Und mittlerweile haben wir ein Team von inzwischen erfahrenen Handwerkern, mit denen wir in jedem Dorf innerhalb von einer Woche ein sicheres Rundhaus aus lokalen Materialien für knapp 1000 Euro bezugsfertig bauen können (mehr zu unserer Baumethode mit vielen Bildern hier).

Rundhaus aus Lehm mit Kalkanstrich. Bauzeit eine Woche, Kosten knapp 1000 Euro.

Während es in den Wellblechhütten, die von den großen Hilfsorganisationen im Sommer spendiert worden waren, im Winter eisig kalt wurde und eine Grippewelle nach der anderen brachte, viele über Gelenkschmerzen klagen und es sogar zu Erfrierungen kam, bliebe es in den dicken Lehmhäusern warm, und das Getreide lagerte schimmelfrei und trocken. Einige Medien in Nepal haben von unserer Initiative berichtet und nun beauftragte uns eine amerikanische Stiftung, in einem besonders vom Erdbeben verwüsteten Dorf in Dolakha 20 weitere Rundhäuser nach den Ithaka-Methoden zu bauen. Unser eigentliches Metier ist es ja nicht und soll es auch nicht werden, aber wie könnten wir eine solche Einladung ausschlagen? Zeigt sich der Erfolg einer Methode nicht vor allem darin, dass andere sie kopieren und verbessern? In Dolakha, wo wir bereits fünf Häuser gebaut haben, werden die Bauern die Häuser eigenständig bauen, wir organisieren ihnen nur noch die Materialien und die Qualitätskontrolle.

Waldgärten

Unser derzeit vielversprechendstes Projekt, das durch Ihre Spenden möglich wurde, ist die Anlage von Waldgärten in Tanahu (etwa in der Mitte zwischen Kathmandu und Pokhara). Zu Beginn der Regenzeit haben wir dort mit 42 Bauernfamilien 10.000 Bäume auf brachliegenden Terrassen gepflanzt. Verschiedene Baumsorten, die neben Früchten, Nüssen, Tierfutter und Holz besonders wertvolle Produkte wie Zimtöl, Parfüm, Seide, aromatherapeutische Kerzen und Arzneimittel versprechen. Zwischen den Bäumen wachsen die täglichen Nahrungsmittel wie Mais, Kartoffeln, Linsen, Zwiebeln, Kohl, Senf und natürlich die vielen Gewürze, die ein nepalisches Gericht ausmachen.

Pflanzung von Maulbeerbäumen zur Herstellung von Seide.

Die sämtlich mit Pflanzenkohle und Mulch gepflanzten Bäume erreichten eine geradezu phänomenale Überlebensrate von 94%. Dies steht im Vergleich zu den lediglich knapp 50%, die bei traditionellen Aufforstungen in Nepal erreicht werden. Als im November die Trockenzeit begann, drohte dieser Erfolg gefährdet zu werden. Tausende Jungbäume brauchten noch Wasser, aber die Terrassen waren zu weit von den nächsten Wasserquellen, um aller zwei Wochen einen Eimer Wasser pro Baum heranzutragen. So entschieden wir, finanziert von den CO2-Zertifikaten der Bäume, Bewässerungsbecken in den Waldgärten anzulegen, mit fixen Wasserschläuchen zu verbinden und an die Quelle am oberen Berghang anzuschließen. Seit 8000 Jahren können die Bauern nun erstmals ihre Terrassen rund um das Jahr bewässern und damit nicht nur fast alle tropischen Bäume aufziehen, sondern in jeder Jahreszeit Lebensmittel anbauen. Unvorstellbar das Funkeln in den Augen des alten Mannes, der erstmals auf seinem eine Stunde vom Haus entfernten Feld einen Schlauch in der Hand hält, aus dem frisches Quellwasser in sein Bewässerungsbecken fließt.

Die Jungbäume, die Pflanzung und die Pflege sowie die Bewässerungsbecken und -leitungen konnten wir durch den Kohlenstoff finanzieren, den die Bäume jährlich aus der Atmosphäre aufnehmen. In den ersten zehn Jahren berechnet sich der jährliche Betrag aus dem konservativen Mittelwert der ersten zehn Jahre, wobei natürlich nur die Bäume angerechnet werden, die überlebt haben. Um den Anreiz zur Pflege der Bäume zu erhöhen, müssen abgestorbene Bäume nicht nur nachgepflanzt werden, sondern es geht für jeden verlorenen Baum die Prämienzahlung für fünf lebende Bäume verloren.

Eines von 15 Wasserrückhaltebecken zur Bewässerung der Waldgärten in der Trockenzeit.

Die 10,000 in Ratanpur gepflanzten Bäume entziehen der Atmosphäre jährlich 150 t CO2. Bei einem Preis von 32 Euro pro Tonne CO2 ergibt dies jedes Jahr 4800 Euro für die insgesamt 42 Bauernfamilien. Das mag für unsere Verhältnisse in Europa nach nicht viel klingen, die 115 Euro pro Familie entsprechen für Bauern in Nepal aber zwei Monatseinkommen und stellen ein sonst nicht vorhandenes garantiertes Grundeinkommen, welches die Anlage von Waldgärten überhaupt erst ermöglicht. Nach 3 Jahren finanzieren die Waldgärten sich dann durch ihre Erträge selbst, wobei die Kohlenstoff-Sequestrierung einen zusätzlichen Mehrwert darstellt, ebenso wie die Zunahme der Bodenfruchtbarkeit, die Biodiversität, der Grundwasserschutz, die Vermeidung von Erosion und von Erdrutschen (detailliertere Informationen, Kalkulationen und Bilder finden Sie hier).

Im kommenden März werden vier Nachbardörfer in das Programm einbezogen und 40,000 weitere Bäume für Waldgärten gepflanzt. Die dann insgesamt 50,000 Bäume werden jährlich mindestens 750 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entziehen. Dies entspricht den durchschnittlichen CO2eq-Emissionen von 76 deutschen Bürgern. Es klingt ungeheuerlich, aber für die durchschnittlich 10 t CO2-Verbrauch pro Kopf in Deutschland, braucht es 660 Bäume in Nepal oder einem vergleichbaren subtropischen Land. (Der CO2-Verbrauch in Nepal ist übrigens rund 90 mal kleiner als in Deutschland.) Andererseits braucht es für einen Deutschen bei einem Preis von 32 Euro pro Tonne CO2 lediglich ein monatliches Klima-Abo von 27 Euro, um klimaneutral zu leben. Das ist der Preis von drei Tassen Kaffee pro Woche. So billig macht es uns die Natur, wenn wir es nur wollen.

Klima-Abo

Ein solches Klima-Abo werden wir noch dieses Jahres einführen, und zwar sobald unser transparentes Zertifizierungssystem steht und wir garantieren können, dass die angelegten Waldgärten dauerhafte Kohlenstoffspeicher werden und unsere Berechnungsgrundlagen strenger Überprüfungen standhalten. Mit der Verbindung von privaten Klima-Abos und bäuerlichen Waldgärten hoffen wir ein Modell zu schaffen, dass sich von Istanbul bis Peking über das ganze entwaldete Asien, ebenso wie in Afrika, Südeuropa und Amerika verbreiten kann. Es braucht 2,3 Billionen Bäume, damit die Welt wieder klimaneutral wird. Lediglich 45% des derzeitigen Weidelandes müsste dafür zu Waldweiden umfunktioniert werden. Mit einem Klima-Abo, das die durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Kopf eines jeden Landes abgleicht, würde sich dies leicht finanzieren lassen. Es wären übrigens nur 72% der weltweiten Militärausgaben, aber es wird auch ohne staatliche Lenkungsabgaben funktionieren, wenn genügend Privatpersonen ihrer persönliche Verantwortung gerecht werden.

Man mag uns als Träumer verlachen, wenn wir in den Wüsten des Islamischen Staates Wälder wachsen sehen, aber was, wenn nicht Wälder können die Welt dort und überall noch retten? Wir haben im Kleinen schon manch ziemlich Unmögliches erreicht, warum sollte es nicht gelingen, auch Großes anzustoßen? Einen anderen Ausweg gibt es nicht.

Die entwaldete Endlosigkeit Asiens. Im Hintergrund einige Ruinen, die einst mit Holz aus der Umgebung geheizt wurden.  

Unsere ganze Hoffnung besteht darin, gemeinsam ein Model zu errichten, das an möglichst vielen Orten multipliziert werden kann und nicht nur das Klima rettet, sondern viele andere drängende ökologische und soziale Fragen adressiert. Unser Wunsch ist es dabei, diejenigen in Europa, die ihre Klimabilanz finanziell ausgleichen, mit den Bauern in Asien persönlich zusammenzubringen, die mit ihren Wäldern und neuen Formen der Landwirtschaft den emittierten Kohlenstoff wieder in die Pflanzen und Böden zurückholen. Jeder, der ein Klima-Abo abschließt, wird genau wissen, wo die Bäume stehen, die seine Emissionen aus der Luft filtern, und welche Bauernfamilie sich um den Waldgarten kümmert.

Liebe Freunde Ithakas, mit Eurer spontanen, großzügigen Hilfe habt Ihr geholfen, einen Grundstein zu legen. Wir werden unser Bestes tun, ein offenes Gebäude daraus erstehen zu lassen.

Mit sehr herzlichem Gruß und Dank, Ihr Hans-Peter Schmidt

PS.: Wir planen für die nächsten Wochen und Monate mehrere Artikel zu den Waldgarten-Projekten zu veröffentlichen und insbesondere auch die Kohlenstoff-Kalkulationen detailliert darzulegen. Und natürlich freuen wir uns und hoffen darauf, dass Sie zu den ersten gehören werden, die sich für das monatliche Klima-Abo entscheiden.

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