Bio-Biokohle oder Nichtbio-Biokohle?

von Hans-Peter Schmidt

Die Hoffnungen in die Biokohle nehmen mitunter schon fast religiöse Züge an. Doch um das enorme Umweltpotential der Biokohle tatsächlich zu nutzen, braucht es von Beginn an hohe Qualitäts- und Umweltstandards. Das Schweizerische Biokohle Forschungsnetzwerk (SBFN) hat ein Diskussionspapier für die Zertifizierung von Biokohle erarbeitet und möchte die Leser von Ithaka an der Debatte darüber beteiligen.

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Einleitung

Der Begriff der Biokohle als solcher ist etwas unglücklich. Aber wie es mit Begriffen nun einmal ist, sie gewinnen ein Eigenleben und lassen sich - wie Kinder von ihren Eltern - im Nachhinein nicht mehr umändern. Das „Bio“ ist in den Begriff hineingekommen, weil als Ausgangsmaterial für diese Kohle sämtliche existierenden Biomassen verwendet werden können. Dies im Unterschied zur Holzkohle, die eben nur aus dem Ausgangsmaterial Holz hergestellt werden kann. Mit „Bio“ im Sinne der Biologischen Landwirtschaft hat der Begriff ursprünglich also nichts zu tun.

Was die Erfinder des Biokohle-Begriffes allerdings nicht wussten, dass nach europäischen und schweizerischen Bioverordnungen nur diejenigen Produkte als „Bio“ bezeichnet und gehandelt werden dürfen, die auch nach der Bioverordnung als „bio“ zertifiziert wurden. So darf derzeit z.B. keine Biokohle als Biokohle von der Schweiz in die EU exportiert werden, da keine Biozertifizierung vorgelegt werden kann.

Wurzelhaare einer Senfpflanze saugen sich in nährstoffreichen Poren einer Biokohle. Photo: Andreas Thomsen
Wurzelhaare einer Senfpflanze saugen sich in nährstoffreichen Poren einer Biokohle. Photo: Andreas Thomsen

Um den Begriff der Biokohle beizubehalten, ist es daher zwingend notwendig, die Biokohle nach der Bioverordnung zertifizieren zu lassen. Alle nicht zertifizierte Biokohle dürfte dann nicht mehr als solche bezeichnet und gehandelt werden, womit auch verhindert wird, dass eines Tages Bio-Biokohle und Nichtbio-Biokohle auf den Markt kommen. Für nicht biologisch zertifizierte Biokohle sollte der Überbegriff Pyrokohle verwendet werden.

Als Pyrokohle wird all jene Kohle bezeichnet, die mittels Pyrolyse aus Biomasse hergestellt wurde. Als Biomasse–Pyrolyse gilt hierbei die thermochemische Zersetzung organischer Stoffe unter Sauerstoffabschluss und bei Temperaturen von 350 bis 900 °C. Torrefaktion, Hydrothermale Karbonisierung, Verkoksung und Verbrennung sind weitere Verkohlungsprozesse, deren Endprodukte jedoch nicht als Pyrokohle bezeichnet werden können.

Biokohlen sind demnach spezielle Pyrokohlen, die durch zusätzliche ökologisch nachhaltige Herstellungs-, Qualitäts- und Einsatzbedingungen charakterisiert und zertifiziert sind.

Die Notwendigkeit, Biokohle einem ökologischen Zertifizierungsprozess zu unterziehen, bietet zugleich die Chance, von Beginn an harte Nachhaltigkeitskriterien für den Einsatz von Biokohle in landwirtschaftlichen Böden zu verankern und somit die Risiken, die mit einem unbedachten Einsatz von Pyrokohle verbunden wären, zu minimieren. Es ist unser Ziel, dass auch in der konventionellen Landwirtschaft künftig nur zertifizierte Biokohle als Bodenhilfsstoff eingesetzt werden darf. Das Bio-Zertifikat könnte zugleich als Grundlage für die Erzeugung von Klimazertifikaten dienen.

Die folgenden Richtlinien für die Herstellung und den Einsatz von Biokohle sind Teil eines kommentierten Arbeitspapiers. Die Kommentare sind in blau und kursiv gesetzt:

Richtlinien für Herstellung und Einsatz von Biokohle

Biokohle ist pyrolytisch hergestellte Kohle für den Einsatz in der Landwirtschaft. Folgende Kriterien bezüglich der eingesetzten Biomasse (A), der Pyrolysetechnik (B), den Eigenschaften der Biokohle (C) und der Ausbringung der Biokohle (D) müssen erfüllt werden.

A. Eingesetzte Biomasse

1. Reine Organische Reststoffe ohne relevant toxische Belastungen durch Schwermetalle, Farbreste, Lösungsmittel etc. Saubere Trennung von nichtorganischen Abfällen wie Elektronikschrott, Plaste, Gummi etc. [In einem Anhang sollte eine Positivliste mit verwendbaren Biomassen geführt werden: Grünschnitt, Borke, Sägespäne, Gärreste, organische Hausabfälle, Fäkalien, Mist, Lebensmittelreste, Schlachtabfälle …]

2. Land- und forstwirtschaftliche Reststoffe wie Getreidespelz, Fruchtschalen, Fruchtkerne, Trester, Borke etc. (Positivliste)

3. Landwirtschaftliche Produkte aus dem Anbau von Energiepflanzen, die ohne Pestizide, Herbizide, Mineraldünger und genetisch modifiziertes Saatgut erzeugt sind und maximal 15% der landwirtschaftlichen Nutzfläche einer Region entsprechen. [Ackerforstwirtschaft, Energiepflanzen – die Begrenzung auf 15% soll die Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion einschränken, die Höhe des Prozentsatzes wäre zu diskutieren]

4. Biokohle darf nur dann aus Forstholz gewonnen werden, wenn eine nachhaltige Bewirtschaftung des entsprechenden Waldes gewährleistet ist. Insbesondere die Abholzung von Regenwald, wie es derzeit zur Produktion von Holzkohle weitflächig der Fall ist, muss verhindert werden.

B. Pyrolysetechnik

1. Die Biomassepyrolyse muss in einem energieautonomen Prozess ablaufen. Die zum Betrieb der Anlage eingesetzte Energie (Strom für Antriebe, Lüftung und BMSR) darf maximal 3% des Heizwertes der im gleichen Zeitraum pyrolysierten Biomasse betragen. [Die Höhe des Prozentsatzes wäre zu diskutieren. Wichtig ist eine solche Begrenzung, um zu verhindern, dass fossile Brennstoff zur Reaktorbeheizung eingesetzt werden und die heißen Abgase (wie in den traditionellen Meilern) ungenutzt in die Atmosphäre entweichen]

2. Die bei der Pyrolyse entstehenden Synthesegase müssen abgefangen werden und dürfen nicht in die Atmosphäre entweichen

3. Bei Verbrennung der Synthesegase müssen die in der EU geltenden Emissionsgrenzwerte für Holzfeuerungsanlagen eingehalten werden [Solang es keine gesonderten EU-Regelungen für Emissionsgrenzwerte von Pyrolyseanlagen gibt.] [Anhang: Abgasgrenzwerte für NOx etc]

4. Die nachhaltige Nutzung der bei der Verbrennung der Synthesegase entstehenden Abwärme muss gewährleistet sein. Der Energieverlust durch Abwärme darf maximal 10% des Heizwertes der pyrolysierten Biomasse betragen.

Zur Zertifizierung der Biokohle müsste für die Erfüllung der Punkte B jeweils die Produktionsanlage abgenommen und zertifizierte werden.

C. Eigenschaften der Biokohle

1. C-Gehalt > 25% [Der C-Gehalt von Biokohlen schwankt je nach verwendeter Biomasse und Prozesstemperatur zwischen 25 und 95 %. (Z.B.: Hühnermist: 26%, Buchenholz: 86%). Es kann bisher noch nicht entschieden werden, inwiefern ein höherer C-Gehalt eine höhere Qualität der Biokohle als Bodenhilfsstoff impliziert. Für die Biozertifizierung ist der C-Gehalt relativ unerheblich, sofern sichergestellt ist, dass es sich bei den Nicht-C-Bestandteilen nicht um nachfolgende Verunreinigungen handelt. Die Angabe des C-Gehaltes ist insbesondere für die Erzeugung von CO2-Zertifikaten relevant.]

2. Rohdichte [die Rohdichte kann je nach Biomasse und Höchsttemperatur der Pyrolyse zwischen 100 und 1000 g/l schwanken und stellt folglich kein Ausschlusskriterium dar. Die Rohdichte lässt sich leicht ermitteln und ist ein Indikator des Porenvolumens und sollte daher zur Charakterisierung der Biokohle mit angegeben werden].

3. Spezifische Oberfläche und Porenvolumen [sind zwei zentrale Werte zur Charakterisierung von Biokohlen. Beide Werte hängen sowohl von der pyrolysierten Biomasse als auch von dem verwendeten Pyrolyseverfahren (v.a. Höchsttemperatur, Verweildauer, Partikelgrösse) ab. Die Erhebung beider Werte ist methodisch noch nicht standardisiert. Die Werte schwanken je nach verwendeter Methode relativ stark. Es lassen sich keine Ausschlusskriterien auf Basis dieser beiden Werte angeben.]

Biokohlen sind so hochkomplexe Stoffe, dass sie sich wie Individuen zwar untereinander ähneln, nie aber gleich sind. Das macht die Charakterisierung und Klassifizierung sehr schwer.
Biokohlen sind so hochkomplexe Stoffe, dass sie sich wie Individuen zwar untereinander ähneln, nie aber gleich sind. Das macht die Charakterisierung und Klassifizierung sehr schwer.

4. Nährstoffgehalte laut Düngemittelverordnung: [Die Schwankungen der Nährstoffgehalte verschiedener Biokohlen sind sehr hoch (zwischen 170 g/ kg und 905 g/kg). Laut Bodenverordnung müssen die Nährstoffgehalte auf jeden Fall ermittelt werden. Aufgrund der ermittelten Nährstoffgehalte ergeben sich die maximal zulässigen Mengen für die Bodeneinarbeitung. Entscheidend wären allerdings nicht die absoluten Nährstoffgehalte, sondern die jeweilige Nährstoffverfügbarkeit, welche aber schwierig zu ermitteln ist (z.B. Nährstoffverfügbarkeit von Phosphor liegt bei 13%, die von Stickstoff liegt teilweise unter 1%). Nach der Bodenverordnung werden aber generell nur die absoluten Werte in Betracht gezogen (trotz langjähriger Diskussion werden auch in der Kompostverordnung nur die absoluten Werte akzeptiert). Die Grenzwerte der Bodenverordnung liegen daher weit unter den für Biokohle relevanten Nährstoffverfügbarkeitswerten und sind daher als Ausschlusskriterium hinreichend.]

5. H/C-Verhältnis < 0.6 und > 0.1 [Das H/C Verhältnis ist ein guter Indikator für die aromatische Struktur und Qualität der Biokohle. Sie schwankt je nach Biomasse und Verfahren. Werte außerhalb dieses Bereiches lassen auf minderwertige Kohlen und mangelhafte Pyrolyse-Verfahren schließen.]

6. Schwermetallgehalt nach gängigen Richtlinien der Bio-Kompostverordnung [Wie im Falle der Kompostierung bleibt auch bei der Pyrolyse fast die gesamte Menge an Schwermetallen der ursprünglich((en)) verwendeten Biomasse im Endsubstrat erhalten, wobei es zu einer Aufkonzentration kommt. Anders als im Fall des Komposts werden die Schwermetalle sehr effizient von der Biokohle fixiert und langfristig blockiert. Wie dauerhaft diese Blockierung ist, kann bisher nicht sicher angegeben werden. Da Biokohle anders als Kompost nur einmalig (bzw. mehrfach bis zu einer maximalen Endkonzentration) in den Boden eingebracht wird, lässt sich eine toxische Akkumulierung der Schwermetalle ausschließen. Trotzdem wird es politisch kaum möglich sein, für Biokohle höhere Schwermetallgehalte als für Komposte durchzusetzen. Jedenfalls würde es einen sehr langwierigen Gang durch die Behörden nach sich ziehen. Es gibt allerdings ohnehin wenig Grund, nicht die von der Biokompostverordnung vorgeschriebenen Grenzwerte für Schwermetalle einzuhalten. Für stärker belastete Pyrokohle gibt es hinreichend andere Einsatzmöglichkeiten.]

7. pH-Wert – [die pH-Werte schwanken zwischen 6 und 10, stellen für die Zertifizierung kein Ausschlusskriterium dar. Sie müssen aber zwingend angegeben werden, da eine Verschiebung des Boden-pH-Wertes großen Einfluss auf die Bodenkultur hat]

8. PAK-Gehalte < 16 mg/kg TM  / PCB-Gehalt <0,2 mg/kg TM  [Dieser Wert entspricht der Kompostverordnung. Allerdings bindet die Biokohle sehr effizient PAK, wo sie relativ rasch von Bakterien abgebaut werden. Das PAK-Risiko ist daher relativ gering. Trotzdem werden sich vorläufig keine höheren PAK- und PCB-Werte als für Kompost durchsetzen lassen.]

9. Furane < 0,5 ng/kg (I-TEQ OMS);

Für die Punkte 8 und 9 müsste die jeweilige Anlage regelmäßig kontrolliert werden, da auf Grund der hohen Analysekosten nicht jede Charge überprüft werden kann. Die Punkte 1 – 7 müssten jeweils für identische Chargen einmal überprüft werden.

D. Ausbringung der Biokohle

1. Bodeneintrag nur in Verbindung mit organischem Kohlenstoff (Kompost, humusreiche Erde, Fermenten (Bokashi), Melasse etc).

2. Einbringung nur in dauerbewachsene bzw. dauerbegrünte Böden, da sonst durch Erosion die Biokohle abgebaut und zum Teil als Aerosol in die Luft gelangt.

Biokohle ist kein Wundermittel, sondern muss Teil eines umfassenden Klimafarming-Konzeptes werden.
Biokohle ist kein Wundermittel, sondern muss Teil eines umfassenden Klimafarming-Konzeptes werden.

3. Minimale Bodenbearbeitung, da es sonst zu Humus- und Biokohleverlust kommt, womit die angestrebte Kohlenstoffsenke nicht erreicht wird.

4. Falls der Bodeneintrag nicht in Verbindung mit staubverhindernden Bindestoffen wie feuchtem Kompost, Erde, Bokashi usw. stattfindet, muss für eine Granulatgröße > 5 mm gesorgt werden. [Verhinderung von Aerosolbildung, da Aerosole eine 500-800 fache CO2-Treibhausgasäquivalenz aufweisen]

5. Transport zur landwirtschaftlichen Fläche: max. 100 km [hierfür sollte es in der Anfangszeit die Möglichkeit für Ausnahmebewilligungen geben]

Punkt D wird durch die Landwirte kontrolliert, die Punkte A – C beim Hersteller.

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