Bodenleben und Pflanzenschutz: Kompostextraktion

von Claudio Niggli

Das Leben in gesunden Böden ist von stupender Artenvielfalt, die für die Stabilität landwirtschaftlicher Ökosysteme von entscheidender Bedeutung ist. Durch gezielten Einsatz von Kompost und Kompostextrakten lässt sich die Bodenaktivität günstig beeinflussen. Neue Versuche haben nunmehr ergeben, dass Kompostextrakte auch gegen Blattkrankheiten wie Mehltau wirksam sind.

Böden sind die Grundlage von Pflanzenwachstum und damit Vorraussetzung für das Überleben aller tierischer Organismen und des Menschen. Sie bieten Pflanzen nicht nur alle notwendigen Nährstoffe und Wasser, sondern auch Verankerung und Stabilität. Darüber hinaus sind die Böden Lebensraum für zahlreiche Tiergruppen wie Käfer, Milben, Tausendfüsser, Spinnen oder Würmer. Für unser Auge unsichtbar, beherbergen vitale Böden auch eine große Vielfalt von mikroskopisch kleinen Organismen. Ein einziger Teelöffel gesunder Gartenerde enthält rund eine Milliarde Mikroorganismen, die bis zu 60'000 verschiedenen Arten angehören. Pilze und Bakterien spielen im Kreislauf der Nährstoffe und bei deren Mobilisierung aus mineralischer Substanz eine ganz zentrale Rolle. Die Pflanzen stehen in enger Beziehung zur dieser „Mikroflora" des Bodens, die sie über ihre Wurzelausscheidungen (Exsudate) teilweise ernähren und symbiotisch vernetzen. Diese Boden-Mikroorganismen stehen im komplexen Nahrungsnetz an einem überaus wichtigen Knotenpunkt (s. Abb.).

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In der konventionellen Landwirtschaft werden Böden durch Pflanzenschutzmittel erheblich belastet und durch synthetische Mineraldünger massiv in ihrer Nährstoffbilanz und Bioaktivität geschädigt. Kurz- und mittelfristig lassen sich auf diese Weise das Wachstum und damit die Erträge erhöhen. Langfristig jedoch verkümmert der Boden und lässt sich nur durch ständige Zugaben synthetischer Nährstoffe auf einem produktiven Niveau halten. Die Nutzpflanzen verkommen zu übermässig anfälligen, hilflosen Geschöpfen. Die geschmackliche Qualität und der Reichtum an sekundären Pflanzenstoffen (z.B. Vitamine und Antioxydantien) gehen verloren.

Kompost - Ein Paradies für Mikroben

Die allermeisten Bodenorganismen sind auf organische Substanz als Energielieferant angewiesen. Bei der Herstellung von Kompost steht jene organische Substanz gewissermaßen in Überfülle zur Verfügung. Da die Nahrungsgrundlage also in ausreichendem Maße vorhanden ist, kommt es zu einer enormen Vermehrung der Mikroorganismen im Kompost. Kompost ist also nicht nur ein wertvoller Speicher organischer Nährstoffe, sondern er beherbergt vor allem eine riesige Anzahl und Vielfalt von Mikroorganismen.

Aerobe Kompostextraktion

Durch Kompostextraktion lassen sich die im Kompost bereits in hoher Zahl vorhandenen Mikroorganismen selektionieren, vermehren und mit Wasser extrahieren. Der so gewonnene Kompostextrakt enthält bis zu 5 Milliarden aerobe Mikroorganismen pro ml, welche dann zum Schutz vor Krankheitserregern wie ein herkömmliches Spritzmittel auf Blätter, Gescheine und Früchte appliziert werden können. Es handelt sich also um ein rein bioaktives Spritzmittel.

Nach einer Reihe von Laborversuchen, finden in den Weinbergen des Delinat-Instituts seit 2009 Freilandversuche mit Kompostextrakten statt. Die Extrakte werden vor Ort mit einer gut durchdachten Kompost-Extraktions Maschine von Bionika hergestellt. Dabei wird reifer Kompost in ein Sieb gefüllt und dieses in einen mit Wasser gefüllten Behälter gehängt. Ein

Extraktionsmaschine Bionika
Extraktionsmaschine Bionika
Kompostextrakt
Kompostextrakt

Schlauch wird auf dem Grund des Siebes in den aufgeschwemmten Kompost angebracht. Dieser ist mit einer Pumpe verbunden, welche während des Extraktionsvorgangs Luft zuführt und für eine ständige Sauerstoffversorgung des Extraktes sorgt. Es handelt sich hierbei also im Gegensatz zur herkömmlichen Herstellung von „Kompost-Tees" um einen aeroben Prozess. Die ständige Durchlüftung begünstigt diejenigen Organismen, welche zum Überleben Sauerstoff brauchen (obligate Aerobier) oder zumindest tolerieren (fakultative Aerobier). Die Extraktion ist nach 24 Stunden abgeschlossen und das Extrakt kann gebrauchsfertig entnommen werden. Die lange Extraktionszeit begünstigt unter anderem, dass neben den Mikroorganismen ein möglichst grosser Teil des weiten Spektrums an organischen Verbindungen in das Extrakt übergeht. Einige dieser Moleküle spielen offenbar eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung von Krankheitserregern.

Forschungsstand

Es wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach gezeigt, dass Kompostextrakte den Befall von Pflanzen durch Pathogene reduzieren können (LARBI 2006). Allerdings wurde bei den meisten dieser Untersuchungen keine Durchlüftung eingesetzt, so dass es dabei um hauptsächlich anaeroben Extrakte handelte. Da anaerobe Mikroorganismen jedoch bei Luftkontakt sehr rasch absterben, eignen sie sich für direkte Blattbehandlungen nur sehr eingeschränkt. Bei bodenbürtigen Krankheiten weisen allerdings auch anaerobe Extrakte mikrobielle Wirkungsmechanismen wie Nährstoffkonkurrenz und Selektionsdruck auf. Bei Blattkrankheiten konnte zudem nachgewiesen werden, dass die im Extrakt gelöste Stoffe die Schadorganismen bei Ihrer Entwicklung und/oder Fortpflanzung beeinträchtigen.

Bioaktives Spritzmittel

Auf dem Gebiet der aeroben Extraktion steht die Wissenschaft noch relativ am Anfang. Bei den Wirkungsmechanismen der Extrakte kommen aber auf jeden Fall neue Erklärungsansätze hinzu: Die Anwesenheit einer Vielzahl von Bakterien- und Pilzarten auf Blattoberflächen oder den Gescheinen verringert durch Nahrungskonkurrenz oder Phagie („Fressen" anderer Mikroorganismen) die Infektion durch Schadorganismen. Bei häufigerer Behandlung lässt sich eine allgemeine Verbesserung der Resistenz der Kulturpflanzen erwarten. Durch den Kontakt mit wenig oder nicht pathogenen Mikroorganismen, die vitalen Individuen keine bedeutenden Schäden zufügen, werden die Abwehrmechanismen der Pflanzen angeregt und verstärkt. Es ist zudem anzunehmen, dass Spritzungen von aeroben Kompostextrakten das Bodenökosystem bereichern, wodurch die Ausbreitung von Schadpilzen wie Falscher Mehltau behindert wird, da dessen Zyklus ja auch die obersten Bodenschichten einschließt (siehe Artikel „Weniger Spritzmittel durch Wetterkunde").

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Kompost unterm Mikroskop

Ein wesentlicher Vorteil des Einsatzes von Kompostextrakten für den Pflanzenschutz besteht zudem darin, dass verschiedene Kulturpflanzen zugleich behandelt werden können. Reben und Tomaten, Erdbeeren und Kartoffeln, Kürbisse und Mais können so zur gleichen Zeit mit dem gleichen Mittel vor Schädlingen geschützt werden, so dass sie ohne Sorge um etwaige Abdrift auch nebeneinander gepflanzt werden können.

Am Delinat Institut finden zurzeit Versuche im Weinbau sowie in verschiedenen Obst- und Gemüsekulturen und auch mit verschiedenen Kompostsubstraten statt. Die ersten Resultate sind vielversprechend. Doch für ein verlässliches Urteil darüber, ob und inwiefern sich Kompostextrakte als Ersatz oder Ergänzung herkömmlicher Pflanzenschutzmittel eignen, ist es noch zu früh. Im Herbst 2009 werden wir die ersten Erkenntnisse  aus unseren Versuchen im vorliegenden Journal veröffentlichen.

Sollten sich die Laborversuche im Freiland bestätigen, würde mit dem Einsatz von Kompostextrakten ein wesentlicher Schritt hin zur Stabilität landwirtschaftlicher Ökosysteme möglich. Der Kreis zu einem selbstregulativen landwirtschaftlichen Ökosystems könnte sich schließen: Intelligente Stoffkreisläufe und Gründüngung können sämtliche äußeren Düngemittel ersetzen. Der Krankheitsdruck der Pflanzen kann durch Mischkulturen und Biodiversitätsmaßnahmen minimiert werden. Und ebenso ließen sich auch die biologisch aktiven Pflanzenschutzmittel im Weinberg oder Obstgarten selbst gewinnen.

Weitere Artikel zum Thema:

Unsichtbar, Unhörbar, Unverstanden - Leben im Boden Könige im Reich der Biologischen Vielfalt

Quellen:

Mohamed Larbi, Influence de la qualité des composts et de leurs extraits sur la protection des plantes contre les maladies fongiques, Neuchâtel, 2006

Soil Foodweb Inc - Approach to Compost Tea

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